Reflektieren und Toleranz

Aus diesem Grund wird er zahlreiche ähnliche Fehler regelmässig wiederholen und in schwierigen Lebenssituationen erneut versagen, ohne vernünftigerweise auf das bereits Erlernte zurückzugreifen.
Abgesehen von einer gewissen Retardation, bzw. einer mühseligen Verzögerung seiner persönlichen Charakter-Entwicklung und nützlichen Lebenserfahrung, bringt ihm die konsequente Missachtung seiner Erfahrungen im Grunde genommen keinen lebensbedrohlich materiellen Schaden. Die eigene und persönliche Liederlichkeit nimmt jedoch dann gefährliche Formen an, wenn sie andere Menschen in ihrer bewusstseinsmässigen, mentalen, psychischen, gedanklichen und gefühlsmässigen Entwicklung nachhaltig verletzt, an Leib und Leben schädigt, bedroht oder auf diese gar zerstörerisch einwirkt.
Alles hat Einfluss, und alles nimmt Einfluss. Wirkungslos zu agieren ist in keiner Art und Weise möglich, auch dann nicht, wenn sich jemand in vermeintlicher Abgeschiedenheit auf den Waldboden legt, um den Geräuschen der Natur oder dem Rauschen der Bäume im Wind zu lauschen, oder im Gras liegend den Bewegungen der Wolken mit den Augen zu folgen. Bereits mit dem Niederlegen des eigenen Körpers werden auf dem Waldboden oder im Gras die mikroskopisch kleinen Lebensformen, Pflanzen und allerlei Kriechgetier zerquetscht, erdrückt und in die Flucht getrieben, Hölzer und Gräser werden gebrochen, Ameisen und Käfern wird auf die Zehen getreten, oder Pilze, Sporen und Samenkörner usw. werden vernichtet. Es ist dem Menschen also nicht möglich ‹NICHTS› zu tun – und es ist ihm unmöglich, ‹KEINEN› Einfluss zu nehmen. Selbst das Unscheinbarste zeitigt seine Wirkung, sei es auch nur für einen einzelnen Atemzug im Wald. Der Mensch neigt jedoch dazu, seine eigene Existenz bzw. sein Tun und Wirken als ungefährlich für die Umwelt und als unbeträchtlich für seine Mitmenschen zu betrachten. Gerne stellt er sich aber in den Mittelpunkt, um einerseits gross und wichtig zu erscheinen, andererseits jedoch, um den eigenen negativen, belastenden und manipulierenden Einfluss auf die Umwelt auszublenden. Eigene fehlerhafte Handlungen sowie das Vorhandensein von persönlichen Schwächen, Leidenschaften und belastenden Neigungen aller Art finden – wie bereits erklärt – bei den Menschen nur ungern eine Beachtung. Das Bagatellisieren eigener negativer Einflüsse ist als Schutzbehauptung gegenüber Kompromittierung (Blossstellung) und Verlegenheit in gewisser Weise verständlich. Nicht jedoch dann, wenn unhaltbare Liederlichkeiten und Persönlichkeitsschlampereien zum Schaden der Umwelt und der Mitmenschen bewusst geleugnet und im Verborgenen ausgiebig gepflegt und genussvoll ausgelebt werden. Dies zeugt von einer unreifen Persönlichkeit und von einem postpubertären Verhalten.
Der Erdenmensch ist ein wahrer Meister der Tarnung, des Verbergens und der bewussten Blendung. Er versteht es bestens, seine dunklen Charakterzüge, Unzulänglichkeiten oder üblen Leidenschaften hinter schillernden Farben, prächtigen Pfauenfedern oder hinter flammenden Reden zu verbergen. Persönliche Schwächen, Mängel oder menschliche Unvollkommenheiten sind jedoch in Tat und Wahrheit weder ein gefährlicher Makel noch eine Verwerflichkeit. Sie stellen keine pauschale Disqualifizierung oder eine grundsätzliche Lebensunfähigkeit des Menschen dar. Als fruchtbarer Nährboden sind sie in Wirklichkeit die Basis zahlreicher Lernprozesse. Als solche sollen und dürfen diese nicht verdrängt oder beiseite geschoben, sondern müssen im neutral-positiven Sinne und zum Nutzen der eigenen Entwicklung bewusst erforscht, kontrolliert, ergründet und behoben werden. Eine Reflexion der eigenen Verhaltensweisen, charakterlichen Eigenheiten, Neigungen und Leidenschaften usw. ist daher äusserst wichtig, wie auch die Toleranz gegenüber sich selbst und gegenüber der eigenen Unvollkommenheit und den Unzulänglichkeiten. Die Aufgaben des Lernens, Suchens und Forschens sind dann verfehlt, wenn daraus ein psychisches Martyrium, Zwang oder Schuldgefühle entstehen, wie dies vielfach bei den Religionsmenschen oder anderweitig kultreligiös-wahnkranken und blindgläubigen Menschen der Fall ist.