Reflektieren und Toleranz

Gedanken über den Umgang mit der eigenen Liederlichkeit
Jedermann sucht in der Regel die höchste Makellosigkeit und Fehlerlosigkeit bei sich selbst. In bezug auf die Geduld und Grosszügigkeit ist sich mancher gerne selbst der ‹Nächste›. Das WIR-Bewusstsein, die wahrliche Nächstenliebe, der ehrliche Respekt und die gegenseitige Achtung sind leider für das Gros der Erdenmenschen noch weitgehend reine Theorie. Entgegen jeglichem Optimismus und einer wohlgesinnten Zuversicht, werden auch noch während der kommenden Jahrhunderte kultreligiöser Fanatismus, Wirtschaftskriminalität, schamlose Profitgier, barbarische Kriege sowie politische Korruption usw. die gegenwärtige Epoche unseres wundervollen und majestätisch schönen blauen Planeten prägen. Dennoch bietet ein Millionenheer von ehrbaren, arglosen und verantwortungsbewussten Erdenmenschen den weltweiten Ausartungen unerbittlich die Stirn. Beharrlich werfen sie im Verborgenen ihren friedenschaffenden Samen aus, um gleich der Titanenwurz oder der Speerblume, während vieler Jahrzehnte und Jahrhunderte geduldig auf die imposanten Blüten und die Frucht zu warten.
Der latente Selbstbetrug und die selbstgefällige Gratwanderung zwischen Ehrlichkeit und bewusster Täuschung, zwischen Zuverlässigkeit und entschuldigter Liederlichkeit sowie eine beschönigende Selbstbeweihräucherung sind vielen Menschen eine eigennützige Wohlgefälligkeit. Die ehrliche Selbstkritik und Reflexion, eine seriöse Selbstbetrachtung und die unverblümte Einsicht in das eigene Unvermögen sind für das Gros der Menschheit eine schmerzliche und bittere Erfahrung. Jegliche unangenehme Konfrontation mit der eigenen Liederlichkeit zu meiden, ist angenehmer und bequemer als die inneren Kämpfe auszutragen. Die Verantwortung für unliebsame Situationen, für persönliches Versagen, schicksalshafte Fügungen oder charakterliche Mangelhaftigkeiten wird daher vorwiegend auf die äusseren Umstände oder Mitmenschen abgeschoben. Akribisch gesucht, werden die vermeintlich Schuldigen in der Regel auch sehr schnell gefunden, ebenso die Verantwortlichen für einen erlittenen Schaden. Die eigenen Falschgedanken sowie das Wirken und Handeln als eigentliche Ursachen für unliebsame Folgen werden von vielen Menschen gerne ausser acht gelassen, erfolgreich verdrängt, oder es werden in einer aktiven Selbstverblendung die Augen vor der wahrlichen Wahrheit verschlossen.
Der Mensch ist jedoch alles andere als ein fehlerloses und vollkommenes Wesen. Perfektionismus als ethische Richtung der Philosophie zur Vervollkommnung der Menschheit oder als psychologisch krankhaft übersteigertes Streben nach Fehlerlosigkeit liegen weder in den schöpferisch-natürlichen Gesetzund Gebotsmässigkeiten noch in der Aufgabe des Menschen. Das menschliche Lernen und stetige Vorwärtskommen basiert auf ihrer Fehleranfälligkeit und Fehlerhaftigkeit. Unliebsame Wirkungen als Folgen von unüberlegten oder unlogischen Handlungen gehören alltäglich zum evolutiven Prozess des Erdenmenschen. Diese formen, regulieren und erweitern seine bewusstseinsmässigen, mentalen, kognitiven und gefühlsmässigen Prozesse. Die menschliche Gesamtentwicklung basiert auf zahlreichen Erfahrungen, Erlebnissen, Erkenntnissen und Einsichten. Entgegen aller schöpfungs-universal-bewusstseinsmässigen Logik scheint der Erdenmensch nur aus einem materiell-bewusstseinsmässigen, psychischen und gedanklich-gefühlsmässigen Martyrium heraus zu lernen. Das ‹Leiden-Müssen›, als vermeintlich menschliche Entwicklungsgrundlage, wird fälschlicherweise systematisch kultiviert. Im Sinne seiner unlogischen Lernprozesse versucht der Mensch auch mit Hilfe von Pseudoweisheiten wie «Aus Schaden wird man klug» oder «Scherben bringen Glück» seine retardierten bzw. verzögerten Lernfortschritte zu rechtfertigen. Seit der Existentwerdung der Schöpfung Universalbewusstsein und ihren schöpferisch-natürlichen Gesetzen und Geboten ist jedoch noch niemals ein Weiser oder ‹Heiliger› in absoluter Vollendung vom Himmel gefallen. Selbst die von der Geistform des Nokodemion belebten Persönlichkeiten waren ausnahmslos dem Gesetz des Lernens und der Fehlerbegehung eingeordnet.