Leserfragen

Leserfrage

Gestern abend (6.1.07) habe ich mir den Film ‹Schindlers Liste› angesehen, und es tauchte bei mir wieder erneut die Frage auf, was die Beweggründe der NAZIS waren, die jüdischen Bürger vernichten zu wollen. So eine Idee entsteht doch nicht aus einer Bierlaune heraus; da muss es doch tiefergehende Gründe gegeben haben.

Horst D. Sennholz, Deutschland

Antwort

Diese Frage ist nicht mit einigen wenigen Worten oder Sätzen zu beantworten, denn die gesamten Umstände der Judenverfolgung und der Judenmorde seit alters her sowie der Holocaust im Nazireich bedürfen einer längeren Erklärung: Die Beweggründe der NAZIS waren der altherkömmliche Antisemitismus und der Hass gegen die Juden. Der Antisemitismus beruht auf einer Abneigung und Feindseligkeit gegenüber den Juden, wobei seit alters her gar Hass im Spiel war, der ausgiebig in allen möglichen Formen an den Judengläubigen ausgelassen wurde. Insofern ist der Begriff Antisemitismus jedoch irreführend, weil in der Regel damit nicht die Gemeinschaft der semitischen Völker gemeint ist, sondern nur das jüdische Volk. Ursprünglich führt die Feindschaft sowie die Entzündung des Hasses gegen die Juden auf deren religiöse und soziale Absonderung in den Gastländern zurück, seit sie über die ganze Welt verstreut wurden, eben durch die sogenannte Diaspora (griech. ‹Zerstreuung›), eine aus der hellenistisch-jüdischen Literatur übernommene Bezeichnung in bezug auf eine religiöse, konfessionelle und/oder natürliche Minderheit sowie das Gebiet, das von dieser bewohnt wird. Durch die religiöse und soziale Absonderung waren die jüdischen Minderheiten schon vor der Durchsetzung des Christentums als fremdartig erschienen, was vielfach dazu führte, dass Juden nur Arbeiten verrichten durften, die sich auf Geld, Schmuck und Handel sowie auf Kunst und Literatur usw. bezogen. Von dieser traditionellen Judenfeindlichkeit, die eigentlich als Antijudaismus bezeichnet werden muss und zu dem die Judenverfolgungen im Römischen Reich und der Kampf gegen das Judentum im Mittelalter gehören, leitete sich auch ab, dass die Juden vom 13. bis zum 18. Jahrhundert ein Judenkennzeichen tragen mussten, das sogenannte ‹Judenabzeichen›, das zur Unterscheidung von der übrigen Bevölkerung in der Öffentlichkeit diente. Es handelte sich um ein Zwangs-Abzeichen, z.B. um einen gelben oder roten Fleck, Ring oder Stern resp. um den sogenannten ‹Judenfleck›. Auch der trichterförmige, meist gelbe und für Männer bestimmte ‹Judenhut› war ein Kennzeichen der Judenangehörigkeit, der in vielen Ländern im Mittelalter getragen und nach 1215 als ‹Judenabzeichen› vorgeschrieben wurde. Ab dem 15. Jahrhundert wurde der ‹Judenhut› durch andere Formen der Kopfbedeckung abgelöst. Im NAZI-Reich dann, unter der national-sozialistischen Herrschaft im Dritten Reich, wurde der ‹Judenfleck› vor allem in Form des Davidsternes wieder eingeführt. Von diesem Antijudaismus der alten Zeit ist der moderne, vor allem gegen die Judenemanzipation – rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung seit dem 18./19. Jahrhundert – gerichtete Antisemitismus zu unterscheiden. Grundsätzlich wurde er vorwiegend politisch und wirtschaftlich begründet und benutzt.