«Wir lassen uns viel zu viel gefallen»

Sind Sie ein Querulant?

Ich denke, dass es eine positive Eigenschaft ist, wenn man Dinge, die nicht tolerabel sind, auch nicht toleriert. Wir lassen uns viel zu viel gefallen.

England war für Sie immer ein Sehnsuchtsort. Aber gerade dort haben Sie den grössten Gegner und lhre grösste Niederlage erlebt.

Ich sehe England immer noch sehr positiv. Aber ja, ich bin dort leider an einen Gegner geraten, der so viel Einfluss hat, dass ich meine Waffen strecken musste. Das war Prinz Charles.

Sie haben ihn als Schlangenölverkäufer bezeichnet … 

Er ist Besitzer einer Firma, die drei phytotherapeutische Tinkturen auf den Markt gebracht hat, unter anderem eine Detox­Tinktur. Diese Detox­Geschichten waren schon immer auf meiner schwarzen Liste. Die Vertreter sind nicht einmal in der Lage, zu sagen, welches Toxin denn aus dem Körper eliminiert wird. Und zu sagen: «Nimm dieses Mittelchen, das entgiftet deinen Körper», ist Unsinn. Da habe ich Charles als Schlangenöl­verkäufer bezeichnet.

Sie sind in den vorzeitigen Ruhestand gegangen, Ihre Abteilung wurde aufgelöst. Hat sich das alles gelohnt?

Ich denke schon. Es hat ungeheuer viel Spass gemacht. In den 20 Jahren gab es keine Routine, jeden Tag konnte ich etwas dazulernen.

Was ist es für ein Gefühl, 20 Jahre Therapien zu untersuchen, die grösstenteils nicht wirken?

Ein negatives Ergebnis ist ja nichts Schlechtes. Wenn ich jemandem sage, dass er sich das Geld für seine Globuli sparen kann und dass er ernste Erkrankungen sicherlich nicht mit Homöopathie behandeln sollte, dann mache ich ja etwas Positives. Ein Forschungsergebnis ist immer positiv, wenn es dem Patienten hilft. Und es hilft dem Patienten schon, wenn man ihm sagt: Das solltest du lieber nicht tun.

Edzard Ernst Forscher mit Ecken und Kanten

Der deutsche Mediziner ist einer der profiliertesten Kritiker der Alternativmedizin. Er forschte von 1993 bis 2011 als Professor für Komplementärmedizin an der britischen University of Exeter. Davor besetzte er einen Lehrstuhl an der Universität Wien und behandelte auch mit komplementär­medizinischen Methoden. Seine Autobiografie ist soeben erschienen. (TA) Edzard Ernst, ‹Nazis, Nadeln und Intrigen›, JMB­Verlag, 250 Seiten, ca. 28 Fr.