WZ-Nr. 200: Über andere richten

47. Jahrgang, September 2021
Wassermannzeit-Verlag / «Billy» Eduard Albert Meier

So ist es mir eines Abends im Büro auch schon passiert, dass neben unserem Abteilungsbüro im Sitzungszimmer nebenan ein Entwickler seinem Chef des langen und breiten seinen Frust abladen musste über externe Mitarbeiter, die scheinbar nicht das taten, was sie seiner Meinung nach hätten tun sollen und ‹Fehler› machten, die nicht passieren dürften. Diese Richterei wurde mir dann nach ca. 30 Minuten, auch wegen seines teils aggressiven Tonfalls irgendwann zuviel, und so beschloss ich nach Hause zu gehen.

Über andere richten, das tun in aller Regel in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich alle, der Verfasser dieses Artikels mit eingeschlossen. Es wird etwas in der Zeitung gelesen, etwas im Radio ­gehört, oder im Fernsehen läuft etwas über Menschen, die einem persönlich nicht bekannt sind, und wir ertappen uns dabei, wie wir teilweise anfangen über sie zu richten, wenn ihre Lebens- oder Denkweise uns – aus welchen Gründen auch immer – nicht zusagt. In gleicher Weise können wir über Freunde, Bekannte, Eltern, Geschwister, Lebenspartner usw. vorschnell richten, wenn ihre Handlungen, Ansichten usw. uns eventuell nicht in den Kram passen.