WZ-Nr. 196: Entfaltung

46. Jahrgang, September 2020
Wassermannzeit-Verlag / «Billy» Eduard Albert Meier

Mit 17 begegnete sie ihrem zukünftigen, damals 19jährigen Mann. Sie sind inzwischen 38 Jahre verheiratet, und wenn er über sie spricht, geht heute noch ein Leuchten über sein Gesicht. Der junge Mann war ein Bauer, der im elterlichen Betrieb arbeitete und diesen einmal übernehmen würde. Sie wagte es, in den Dreigenerationenbetrieb einzusteigen. Bald kamen Kinder. Geheiratet wurde erst nach dem vierten Kind, was zu jener Zeit und in jener Gegend ziemlich viel Mut und Eigenständigkeit erforderte. Da eines ihrer kleinen Kinder fast starb an den Folgen von chemischen Zusätzen, die sie dem Getreide damals zufügten, wie alle das machten, entschlossen sie sich, auf Bioproduktion umzustellen. Auch das wurde von der Umwelt als komplettes Hirngespinst abgetan. Der Erfolg stellte sich dennoch ein. Sie wurde zur Expertin, schuf sich nebenher eine eigene Imkerei, und so entwickelte sie sich zügig immer weiter – nebst strenger Arbeit und einem Haushalt mit fünf Kindern. Sie wurde so geschickt und kompetent, dass sie bald Vorträge halten konnte, ­Bücher veröffentlichte und ihr und ihres Mannes Betrieb zu einem Musterbetrieb wurde. Inzwischen ist sie 55, immer noch voll berufstätig, hat die Matura nachgeholt und wird demnächst beginnen, Ernährungswissenschaften zu studieren. Und bei all dem ist sie eine bescheidene Bäuerin geblieben. Wo immer man sie arbeiten, schreiben, hantieren und erzählen sah, strahlte sie eine Freude und ein Engagement aus, dass einem das Herz aufging.