Die Frage nach einer Gesellschaft ohne Todesstrafe, ...

Die Bestrafung von Verbrechen ist fest in den einzelnen Sozialkulturen verwurzelt, weshalb es auch nicht darum geht, sich einfach dem aktuellen weltweiten Trend hinzugeben. Doch obwohl es in jedem Land der Erde verachtungswürdige Verbrechen gibt, hat man sich unter der strengen öffentlichen Meinung für eine andere Höchststrafe als die Todesstrafe entschieden. Man sollte meinen, dass Japan aus diesen Meinungen und Kenntnissen eine Lehre ziehen könne.
Oft angeführt wird auch die Möglichkeit, die Todesstrafe vorerst auszusetzen und somit eine Möglichkeit zu schaffen, um die öffentlichen Diskussionen sich vertiefen zu lassen. In einer Meinungsumfrage der japanischen Regierung hat über die Hälfte der Unterstützer der Todesstrafe als Begründung ihrer Entscheidung angegeben, dass die Zahl der Gewaltverbrechen zunehmen würde, gäbe es keine entsprechend harte Bestrafung. Jedoch wurde bisher noch kein Nachweis erbracht, dass die Verurteilung zum Tode ein besonderes Abschreckungspotential hat. Eine grosse Zahl der Befragten gab ausserdem an, dass schwere Straftaten mit dem Leben bezahlt werden sollten. Trotz dieser Einstellung wird nicht auf alle Straftaten, für die die Gesellschaft eine schwere Bestrafung fordert, die Todesstrafe angewendet. Die Schwierigkeit besteht darin, die Strafe nicht nur als ‹Vergeltung› zu betrachten.
Dass Hinterbliebene, denen durch Verbrechen die Familie bzw. geliebte Personen genommen wurden, den Wunsch nach einer strengen Bestrafung hegen ist selbstverständlich. Der Schmerz, den die Hinterbliebenen durchleben, ist unermesslich. Auf der anderen Seite gibt es auch Hinterbliebene, die sich bewusst dafür entscheiden, den Täter seine Strafe lebend büssen zu lassen. Es gibt Grenzen, in welchem Masse sich die Gedanken und Gefühle der Opfer auf die Bestrafung der Täter reflektieren lassen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gesellschaft den Opfern und Hinterbliebenen entsprechenden Beistand leistet.
In einigen besonders absurden Fällen können Familien ihr eigenes Zuhause nicht mehr bewohnen, da es zum Tatort wurde, an dem andere Familienmitglieder ihr Leben lassen mussten. Hinzu kommt, dass es keinerlei Schadensbegleichung, geschweige denn Worte der Reue, durch den Täter gibt.
In den letzten Jahren wurde in Japan ein System etabliert, durch das Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen und über den Status des Strafvollzugs der Täter informiert zu werden. Trotzdem gibt es viele Dinge, die weitaus wichtiger wären, wie z.B. die finanzielle und psychische Unterstützung der Beteiligten.
Es muss über eine Form der Unterstützung nachgedacht werden, die sich auf lange Sicht mit den Problemen der Opfer beschäftigt, die auf das erlebte Verbrechen zurückzuführen sind.

  • Beschränkte Offenlegung von Informationen

Ende April dieses Jahres bringt es Japan auf eine Zahl von 132 Personen, die zum Tode verurteilt wurden und auf den Strafvollzug warten.
Erst seit sieben Jahren veröffentlicht das Justizministerium Namen und Aufenthaltsort der zum Tode verurteilten Straftäter. Abgesehen davon kam es zwar bereits vor, dass den Parlamentsmitgliedern bzw. der Presse der Ort der Hinrichtungen öffentlich gemacht wurde, jedoch handelte es sich dabei stets um eine vorübergehende Zugänglichkeit.
Obwohl der Vollzug der Todesstrafe eine in höchstem Masse schwerwiegende Form der Ausübung der Regierungsgewalt ist, hat die Regierung die Veröffentlichung von Informationen bisher stets stark reguliert. Dass der Diskurs um die Todesstrafe auf diese Weise gehemmt wurde, ist unbestritten. Ein anderes vieldiskutiertes Thema ist, ob die Hinrichtung durch Erhängen als Strafe angemessen ist. Es sind 60 Jahre vergangen, seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs, das aussagt, dass Erhängen nicht gegen die Verfassung Japans verstösst, die Bestrafungen auf grausame Weise verbietet. Selbst unter den Unterstützern der Todesstrafe gibt es Intellektuelle, die eine Revision der Form der Bestrafung fordern.
Die überparteiliche Parlamentariergruppe zur Abschaffung der Todesstrafe überdenkt derzeit die Einführung einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung (schweres Lebenslänglich). Damit soll die Kluft zwischen der Todesstrafe und der lebenslänglichen Freiheitsstrafe, bei der der Täter irgendwann in die Gesellschaft zurückkehrt, ausgefüllt werden.
Offen bleibt die Frage, wie eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ohne Bewährung als Ersatz für die Bestrafung durch den Tod zu bewerten ist. Auch wenn es die Regierung umgeht, die Meinung des Volkes einzuholen, so handelt es sich doch um ein Problem, das offen angegangen und diskutiert werden sollte.