Ein Blick in die Irrungen religiösen Glaubens

In dieser langen Zeit wurde ein glaubensmässiges Gebäude zurechtgeschustert, das in den Grundzügen während Jahrhunderten fast unverändert geblieben ist. Wohl wurden ein paar wenige Konzile (lat. concilium ‹Rat›, ‹Zusammenkunft›) einberufen, um gewisse Glaubensinhalte und Dogmen zu ändern. So wurde beispielsweise die lateinische Messe durch landessprachliche Versionen ersetzt, damit die Gläubigen das gesprochene Wort (endlich?) verstehen konnten. Hingegen wurde bis zum heutigen Tag bewusst am Zölibat (Pflicht der Ehelosigkeit für Priester und Angehörige der Kurie) festgehalten. Dieses Verharren im Alten und Rückwärtsgewandten ist bezeichnend für die katholische Kirche (wie übrigens auch für die anderen Weltreligionen), die vor erst wenigen Jahren Galileo Galilei rehabilitierte und damit endgültig anerkannte, dass sich die Erde um die Sonne dreht, anstatt umgekehrt.

Durch den seit rund 150 Jahren andauernden rasanten Fortschritt der Wissenschaften verschärft sich die Kluft zum Glaubenskonstrukt der Kirche, was dazu führte, dass sich immer mehr Menschen davon zu lösen begannen und den ‹Spagat› zwischen Fortschritt und Verharren im Alten und Überholten nicht weiter ertragen wollten und wollen. Die Kirche steht unter Druck: Ihre Schäfchen verlassen in zunehmender Zahl die Herde des Herrn. In Anbetracht des rasanten Fortschritts in Technik und Wissenschaft konnte sich die Kirche nicht mehr vollständig abriegeln und hat inzwischen immerhin anerkannt bzw. in Erwägung gezogen, nebst der oben erwähnten Rehabilitierung Galileis, dass es ausserhalb der Erde möglicherweise Leben gibt. Und wohl nicht zuletzt wegen dem Wissenschafts-Fortschritt und der daraus entstehenden Diskrepanz zwischen Glauben und Wissen haben die Theologen einen dumm-frechen Begriff aus der Mitra (dem Bischofshut) gezaubert, die ‹Glaubensgewissheit›! Der jetzige Papst Benedikt XVI., zuvor bekannt und berüchtigt als Kardinal Joseph Alois Ratzinger und Chef der katholischen Glaubenskongregation, sagte an Ostern 2005 in einem deutschen Radiosender folgendes: «Es hat der Kirche die Glaubensgewissheit vermittelt, dass Jesus wirklich leiblich auferstanden ist, dass Gottes Handeln bis in den Leib hinein reicht; …», und etwas später: «In beiden Aussagen geht es nicht um theologische Interpretation, sondern um Glaubensgewissheit, die dem theologischen Denken als von Gott geschenkte Gewissheit vorausgeht.»