Das Mittelalter der Neuzeit

Seit April 2006 blickt die Welt auf einen neuen Papst, Benedikt XVI, ehemaliger Kardinal Ratzinger, der Zeit seines Wirkens in der katholischen Kirche im zweifelhaften Ruf eines erzkonservativen Reaktionärs stand, oder wie die Zeitung ‹Die Welt› es 1999 ausdrückte: «Erzkonservativ und intolerant, einer, der Gläubigen wie Ungläubigen die christliche Wahrheit wie ein nasses Handtuch klatschend um die Ohren schlägt, anstatt sie ihnen wie einen wärmenden Mantel zum Hineinschlüpfen hinzuhalten.»

Dass diese Einschätzung den Nagel auf den Kopf trifft, hat Ratzinger in den vergangenen nur fünf Monaten zur Genüge bewiesen. Nicht nur der Ausdruck seines Konterfeis ähnelt auffällig und erschreckend den alten Gemälden der kirchlichen Inquisitoren, seine Einstellung und seine Denkweise tun das noch viel mehr. Kaum ein Fettnäpfchen hat er in der kurzen Zeit seines bisherigen Pontifikats ausgelassen - sei es, dass er die homosexuellen Priester als unwürdig verdammt und sie von ihren Posten vertreiben will, womit er sie in den Untergrund und damit in die Unehrlichkeit und Lüge zurücktreibt, der sie mühsam und nach vielen Kämpfen endlich zu entrinnen schienen, sei es, dass er die Hoffnungen der katholischen Frauen nach etwas Anerkennung ihrer kirchlich-sozialen Arbeit mit wenigen Worten vernichtet und die Weiber unter die Fuchtel der Männer und an den Herd zurückscheucht, oder sei es, dass er jeglichen Schwangerschaftsabbruch als Todsünde geisselt, selbst wenn die Frau aufgrund einer Vergewaltigung ‹gesegneten Leibes› ist, wie das die Kirche und vor allem der Papst vornehm auszudrücken beliebt. Nicht einmal Mischehen finden vor seinen Augen Gnade, selbst dann nicht, wenn die Kinder einer solchen Ehe im ‹richtigen Glauben› erzogen werden. So gross ist in seinen Augen die ‹Bedrohung› durch den Fremdgläubigen für seinen Ehepartner, dass er eine Ehe mit einem nichtkatholischen Partner kurzerhand verboten hat. Dass sich dadurch viele Menschen, die ihre Partner ehrlich und von Herzen lieben, in einer wahren Hölle zwischen richtig und falsch, zwischen Gefühl und Glauben, zwischen der Aussicht auf das himmliche Paradies und der ewigen Verdammnis wiederfinden und dass dieses Verdikt des Papstes Entscheidungen provoziert, die die Menschen entweder in ein inneres Fegefeuer oder in ein Leben voller Lügen treibt, das interessiert den Zyniker und Menschenverachter auf ‹Petris Stuhl› keinen Deut. Das Leid der Menschen hat für ihn keinerlei Bedeutung, selbst wenn er heuchlerisch und schleimig anderes zum Besten gibt. Hauptsache für ihn ist einzig und allein die Auftrechterhaltung seiner bayrisch-hinterwäldlerischen Auffassung des richtigen Glaubens und die Mehrung seiner Schäfchen und damit seines Einflusses mit allen Mitteln.

Gleichwertigkeit, Gleichberechtigung, Menschlichkeit und Liebe zu den Menschen sind für ihn ganz offensichtlich Begriffe, deren Tragweite und Tiefe er weder auszuloten noch zu begreifen oder zu verstehen vermag, selbst wenn er das natürlich völlig anders sieht.