Leserfrage Egoismus

Egoismus ist nicht gleich Egoismus, denn es gibt davon verschiedene Formen, die folgerichtig Egoismen (Plural) genannt werden und Handlungsweisen entsprechen, bei denen einzig der Handelnde selbst die Handlungsmaxime bestimmt. Die diesbezüglichen Handlungen sind in der Regel uneingeschränkt einzig durch den eigenen Vorteil des Handelnden bestimmt. Ist dieser eigene Vorteil jedoch in eine symbiotische Lebenshaltung einzureihen, die zugleich auch zum Nutzen und Vorteil anderer Menschen gereicht, dann wird diese Form der Handlungen ethisch voll legitimiert. In der Regel ist es aber so, dass der Mensch, der ein Egoist ist, als ein kurzsichtig handelnder Raffgieregoist verstanden wird, der es kaum oder überhaupt nicht akzeptieren kann, wenn andere Menschen ihm gegenüber sich ebenso raffgierig zeigen, wie er selbst handelt. Der Raffgieregoist räumt sich selbst also viel mehr oder gar alle Freiheiten ein, als er diese den Mitmenschen zugesteht. Egoismus wird daher in der Regel abwertend als Synonym für ein völlig rücksichtsloses Verhalten verstanden und als unanständig beurteilt. Der Begriff beschreibt dann die Haltung, ausschliesslich äusserliche persönliche Interessen zu verfolgen, ohne Rücksichtnahme auf die Belange anderer Menschen oder sogar zu deren Lasten. In diesem Zusammenhang wird Egoismus als Gegenteil von Altruismus und Solidarität kritisiert. Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn bei der Beurteilung des egoistischen Handelns der innere Nutzen nicht in Betracht gezogen wird. Umgekehrt existiert die Auffassung, dass Altruismus erst durch das Erlangen des eigenen Wohls möglich sei, und zwar analog zur Regel, die bei Rettungseinsätzen gilt, eben dass der Eigenschutz die erste Massnahme der Ersten Hilfe ist; frei nach dem biblischen Spruch: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Wird die negative Sicht in bezug auf den Egoismus als Egomanie betrachtet, dann steht er im Kontrast zum Egoismus. Als wertungsfreie Ansicht steht die faktische Behauptung des psychologischen Egoismus, die darlegt, dass alle Menschen de facto egoistisch handeln würden. Ebenfalls wertfrei ist das wirtschaftswissenschaftliche Modell des Homo oeconomicus, der einer Modellvorstellung der Wirtschaftstheorie entspricht und der einen idealen, ausschliesslich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten denkenden und handelnden Menschen verkörpert. Er kennt nur ökonomische Ziele und ist besonders durch Eigenschaften wie rationales Verhalten und das Streben nach einer Nutzenmaximierung geprägt. Er ist auf eine vollständige Kenntnis seiner wirtschaftlichen Entscheidungsmöglichkeiten ausgerichtet, wie auch auf deren Folgen und die vollkommene Information in bezug auf alle Märkte und Eigenschaften sämtlicher Güter und damit auf eine vollständige Markttransparenz. Der Homo oeconomicus als Ideal dient dazu, elementare wirtschaftliche Zusammenhänge in der Theorie klar und durchsichtig sowie ohne praktische Unzulänglichkeiten beschreiben zu können.
Als Egoist gilt jener Mensch, der genau das tut, was anderen infolge seines egoistischen Verhaltens unter Umständen Schaden bringt und wobei er partout gewinnen, stets als wichtigste Person gelten und das grösste Stück von jedem Kuchen abhaben will. Es sind oft grosse, wie aber nicht selten auch nur kleine Dinge, an denen der Egoist zu erkennen ist, wenn er rücksichtslos dafür sorgt, dass er das bekommt, was er gerade haben will. Der Egoist ist auch egozentrisch, folglich es in der Grundbedeutung zwischen Egoismus und Egozentrik (selten auch: Egozentrismus oder Egozentrizität) eigentlich keinen Unterschied gibt. Wer aber immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, scheitert früher oder später.
Der falsche, selbstsüchtige Egoismus beginnt bereits im Kindesalter: Das Kind, das von erziehungsunbedarften Eltern immer und überall nur das vermeintlich Beste erhält, ohne dass es sich dafür sonderlich anstrengen muss, entwickelt sich leicht und schnell zu einem Menschen, der ohne Rücksicht auf Verluste seinen eigenen Willen und vor allem seine Wünsche zum Massstab für alle seine Lebensverhaltensweisen und für alle Dinge, Situationen und Vorkommnisse macht, womit er im Leben konfrontiert wird.