Leserfrage zur Beschneidung und Genital-Verstümmelungen

Während nach Ansicht der (christlichen) historisch-kritischen Bibelforschung die grössten Teile der Abrahamsgeschichte der Entstehungszeit um 950 v. Chr. zugeordnet werden, soll diese Form des Abrahambundes erst 400 Jahre später mit der Priesterschrift im Zuge einer umfassenden Überarbeitung des Pentateuch eingefügt worden sein. Gleiches gilt für die wiederholte Vorschrift der Knabenbeschneidung am achten Lebenstag durch Gott in der Thora (Lev 12, 38 LUT), die dort im Kontext der vorübergehenden Unreinheit der Mutter erwähnt wird. Als ursprüngliche Version des Bundes gilt Genesis 15 (Gen 15, 21 EU), der dort durch Abraham mittels Tieropfer geschlossen wird.
Die Beschneidung wird im Judentum als Eintritt in den Bund mit Gott angesehen. Diesen Bund ging Gott nach jüdischer Überlieferung mit Abraham (und seiner Familie) ein; daher wird der Beschneidungsbund auch als abrahamitischer Bund bezeichnet. Die Juden berufen sich dabei auf das 1. Buch Mose, in dem es heisst:
«Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden; eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Jedes Knäblein, wenn es acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen. Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.»
Weiter wird zitiert: «Der wirkliche Ursprung und Zweck der Beschneidung ist bis heute unklar und umstritten, wobei sie oft als sanitäre Massregel aufgefasst wurde, was jedoch nie belegt werden konnte.
Zwar ist in dieser Hinsicht nicht zu leugnen, dass eine Beschneidung viele Vorteile bringt, einerseits wird die hohe Empfindlichkeit der Eichel aufgehoben, während anderseits auch die Neigung zu Hautabschürfung und Entzündung gemindert wird. Das Fehlen der Vorhaut, sei es in Folge angeborener Missbildung, durch eine Verwundung oder durch eine absichtliche Entfernung derselben, kann also unter Umständen weit mehr Vorteile als Nachtheile bringen. So wird z.B. die Reinhaltung der Oberfläche der Eichel sehr erleichtert, während die Ansammlung und Zersetzung des Schleimes (Smegma) verhindert und der Eicheltripper vermieden wird. Auch Geschwüre, wie syphilitische, können weitgehend vermieden werden. Daher tendieren gewisse Ärzte und Wissenschaftler dazu, zu erwägen, dass die Vorteile und Nachteile einer Beschneidung schon zu früher Zeit in Betracht gezogen worden und die Beschneidungen deshalb durchgeführt worden seien. Besonders im Orient und in heissen Ländern überhaupt, meinen sie, habe bei einer wirklich verlängerten Vorhaut die Beschneidung ihre Berechtigung gehabt. Dieser Ansicht gegenüber muss jedoch hervorgehoben werden, dass wohl nur in wenig Fällen gesundheitliche Vorkehrungen die wirkliche Beschneidungsursache sind, denn wahrheitlich haben stets nur einzelne Völker eine Förderung der Reinlichkeit und sanitäre Faktoren usw. in Betracht gezogen. Wahrheitlich ist es so, dass eine ungemein grosse Anzahl von Völkern wohl die Beschneidung ausüben, jedoch auf die Hygiene und Reinlichkeit keinen besonders grossen Wert legen. Das führt sogar dazu, dass angenommen werden muss, dass ausgerechnet am männlichen Glied die Reinlichkeit nicht besonders gepflegt wird und nicht speziell im Vordergrund steht. Also muss es wohl einen anderen Grund geben, der zur Durchführung der Beschneidung führt.»

Nicht selten liegen die Absicht und der Zweck im Bestreben, die ‹unzulängliche› Natur zu korrigieren, weil diese unvollkommen und ‹Verirrungen› anheimgefallen sei, folglich fleissig am Sexualorgan geschnippelt wird, wie das auch wahnmässig bei unzähligen operativen Busen-, Ohren- und Nasenkorrekturen usw. der Fall ist. Tatsache ist dabei auch, dass das Ganze der Beschneidung manchmal auch zum Nachteil der sexuellen Funktionen führt, die sich dann unter Umständen im Erwachsenenalter auswirken. Zu bedenken ist auch, dass unter Umständen durch die Beschneidung eine Umwandlung entsteht, zwar nicht in jedem Fall, doch manchmal eben doch, wobei dieser Prozess in der Regel allmählich bis zum zeugungsfähigen Alter dauert.