Die menschliche Würde
Gedanken über den Selbstwert, die Menschenwürde und die Selbstachtung des Menschen
In der Würde des ehrenwerten Menschen und in seiner würdevollen Lebensweise vereinen und offenbaren sich seine hehren Tugenden, der Edelsinn, die charakterlichen Vortrefflichkeiten und die Rechtschaffenheit. Spezifische Auslegungen und Definitionen findet die Menschenwürde in allen erdenklichen Bereichen, Situationen und Lebenslagen. Sie zeigt sich ebenso im alltäglichen Berufsleben wie in der Psychologie, der Theologie, der Pädagogik und Philosophie, in der Sozial-Wissenschaft, der Wirtschaft, im Finanzwesen, aber auch in jedem unscheinbaren Lebensaugenblick usw. In politischen Kreisen wird die Menschenwürde gerne als juristisches und ethisches Grundprinzip der Menschlichkeit im künstlich aufpolierten Glanz emporgehalten und verbrieft. Beispiele: BRD Grundgesetz Artikel 1 der Grundrechte: ‹Die Würde des Menschen ist unantastbar.› Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1. Kapitel: Grundrechte Art. 7, Menschenwürde: ‹Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.›
Tatsächlich wird die Beachtung und der Schutz der Menschenwürde im Alltag schneller entwertet, missachtet und ‹entwürdigt›, als die glorifizierenden Reden über sie verhallen, die Tinte zu trocknen oder das Papier der staatlichen Verfassungsbücher zu vergilben vermag.
Einmal mehr stellen sich aber auch dem Schreibenden die Fragen: «Wie definiert sich eigentlich die Würde? Worin liegt ihr evolutiver Wert? Hat sie überhaupt einen Sinn? Erfüllt sie einen bestimmten Zweck, und warum ist sie offensichtlich für den Menschen von so grosser Wichtigkeit?» Letztendlich regt sich auch die selbstkritische Frage nach der eigenen Würdigkeit, nach der notwendigen Qualifizierung und Fähigkeit, das Thema eloquent zu beschreiben. Ist die erforderliche Eignung überhaupt vorhanden? Existieren genügend eigene Erlebnisse, Erkenntnisse und Einsichten sowie eine grundlegende Lebenserfahrung, um den Menschen dieser Erde etwas Kurzes über die menschliche Würde zu berichten? Würdigt die Würde die Schreibenden mit Anerkennung, um ihr ehrwürdiges Wesen zu beschreiben, oder entwürdigen die Schreiberlinge sie durch Unwissenheit und eine irrende Beschreibung?
Die wahrlich durch ein schöpferisch-natürliches Gesetz vorgegebene Menschenwürde hat bei den Menschen auf diesem Planeten einen sehr schweren Stand. In enthusiastischen Referaten und feurigen Ansprachen zur Menschlichkeit wird sie vielfach auf ein rhetorisches Zierwerk reduziert. So mancher Redner nutzt ihre Erwähnung lediglich zur Steigerung der eigenen Popularität. Erniedrigende Machenschaften, arglistige Intrigen oder das Sabotieren der gegnerischen Ehre und Würde werden vor allem in Zeiten politischer Wahlkämpfe minutiös als Waffen eingesetzt. Das Entwürdigende und Würdelose ist jedoch allgegenwärtig, denn Neid und Missgunst, Niedertracht und Eifersucht liegen vielen Menschen näher als die hohen Tugenden. Beispiele dafür sind problemlos und in grosser Zahl zu finden. Das Zweiklassensystem öffentlicher Verkehrsmittel widerspiegelt ebenso eine Entwürdigung des Menschen wie auch das skrupellose Hintergehen und Belügen der Zeitgenossen bei kleinen Betrügereien und grossen Gaunerstücken, wie aber auch in der Wirtschafts- und Bankenkriminalität.
In höchstem Masse wird der einfachen Arbeiterschaft die Würde ihrer Bemühungen abgesprochen, und in Managerkreisen werden für kaum oder nur kurzzeitig erbrachte Leistungen oder Misswirtschaft Milliarden-Boni ausbezahlt. In zweifelhaften Produktewerbungen werden die Umworbenen allgegenwärtig und plakativ entwürdigt; die vermeintliche Afferei und Verführbarkeit der labilen Menschen wird instrumentalisiert und ausgenutzt. Das bürokratische Sozial- und Gesundheitswesen entwürdigt mit leistungsbewertenden und willfährigen Entscheidungen und Praktiken die menschliche Wertigkeit sowie das Leben und Sterben der Erkrankten. Durch eine unterschiedliche medizinische Behandlung erfahren vielfach auch die sogenannten allgemein krankenversicherten Menschen eine Entwürdigung gegenüber den zahlungskräftigen und bevorzugten Patienten.