Die Wirkung von Gedanken

Im FIGU-Sonder-Bulletin Nr. 55 vom August 2010 schrieb Billy im Artikel ‹Die tödliche Macht der Gedanken und Gefühle› über den ziemlich bekannten Placebo- und den noch kaum bekannten NoceboEffekt. Wie der nachstehende Artikel aufzeigt, den wir mit der freundlichen Genehmigung des Autors abdrucken, beginnt sich nun auch die Medizin mit den negativen Auswirkungen der menschlichen Gedanken- bzw. Vorstellungskraft und Suggestionswirkung usw. vertieft zu befassen.
Christian Frehner, Schweiz

Nocebo-Nebenwirkungen in der Krebsbehandlung
Technologiefortschritte und zielgerichtete Wirkstoffe gegen Krebs haben die Resultate bei den Patienten verbessert und die Toxizitäten reduziert, wobei jedoch ernste Nebenwirkungen mit systematischen oder lokalen Therapien weiterhin besorgniserregend sind. Übelkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schmerzen, Magen-Darm-Verstimmung, Depression, Gedächtnisveränderungen, Harnwegsymptome und Hautreizungen gehören zu den am häufigsten berichteten unspezifischen Vergiftungseffekten, die im Laufe der langwierigen Krebstherapien bereits früh beginnen können. Das Auftreten und die Häufigkeit solcher unspezifischer Nebenwirkungen stehen oft in Beziehung mit objektiven Faktoren wie Art der Therapie, Gesamtdosis und Dauer sowie physikalischen Charakteristiken; wachsende klinische Daten aber lassen darauf schliessen, dass Erwartungen der Patienten eine grosse Rolle spielen. Negative Erwartungen, hervorgerufen durch ungefilterte Informations-Bekanntgabe, können durch verschiedene Mechanismen – die als Nocebo-Effekt (lat. für «ich werde schaden») beschrieben werden – physische Auswirkungen zur Folge haben. Das Erkennen solcher potentiell nocebo-auslösender Stimuli kann helfen, unspezifische Nebenwirkungen bei Krebspatienten zu reduzieren. Eine revidierte ethische Perspektive bezüglich informierter Einwilligung, die diesem wichtigen und potentiell schädlichen Geschehen Rechnung trägt, ist gerechtfertigt.
Die Arzt-Patient-Dynamik erhält substantiell-therapeutisches Potential, gestützt durch überzeugende klinische und grundlegende Daten bei verschiedenen Krankheiten. Obwohl die positiven Auswirkungen dieser Beziehung in Studien als Placebo-Effekt (lat. für «ich werde gefallen») beschrieben werden, wird dieser Begriff meistens dem trügerischen Gebrauch jeglicher medizinischen Intervention zugeschrieben, die keine spezifische Aktivität für die behandelte Krankheit hat. Diese Effekte beschränken sich jedoch nicht nur auf die sogenannte Täuschungs-Verschreibung von inerten (unwirksamen) Pillen, die in placebokontrollierten Zufalls-Versuchen genutzt werden, sondern zeigen einen bedeutsameren, effektiveren und absichtlichen Versuch, um die Behandlungs-Effizienz zu maximieren. Nocebo-Effekte können durch negative Konditionierung heraufbeschworen werden. Während den vergangenen zehn Jahren wurden neurobiologische Bahnen identifiziert, die durch negative Erwartungen ausgelöst wurden, und sie liefern Einsicht in die physiologischen Erscheinungen des Nocebo-Effekts.