Lebenslänglich

oder eine kurze schöpfungsphilosophische Betrachtung über das lebenslängliche Zusammensein mit den Menschen, mit Lebenspartnern, in Freundschaften oder in einer Gemeinschaft

Das Entenpaar denkt nicht darüber nach, worüber es sich streiten könnte. Dieser fast schon poetische Gedanke begleitete mich an einem sonnigen Novembertag. Wie üblich hatte ich mir vorgenommen, die Mittagspause im Botanischen Garten in der Nähe meines Arbeitsplatzes in Zürich zu verbringen. Unweit der rastlosen Hektik der Stadt führte mich der Weg vorbei an einem beruhigend plätschernden Bach und über eine schmale Brücke. Nachdenklich schritt ich dem Wasserlauf entlang, als mein beobachtendes Augenspiel unerwartet auf ein unscheinbares und ruhig dahinschwimmendes Stockentenpaar traf. In einträchtiger Harmonie paddelten sie ausserhalb ihrer üblichen Paarungszeit gemeinsam gegen die Kraft des fliessenden Wassers an, um nebenbei die Köstlichkeiten vom Grund des Baches aufzusammeln. Für aufmerksame Augen klar erkennbar, waren sie in ständiger Verbindung und Nähe zueinander. Mit kurzen und unauffälligen Gesten machten sie sich gegenseitig auf besonders feine Häppchen aufmerksam und liessen sich dabei selbst durch meine neugierigen Blicke nicht stören. Vermeintlich unbeeindruckt vom weltlichen Geschehen und geführt in ihrer trauten Zweisamkeit von geregeltem Instinktverhalten, watschelten sie unbehelligt über die nassen und bemoosten Steine und wedelten mit ihren Schwanzfedern oder putzten sich das Gefieder. Ohne es bewusst zu wissen oder dies mit ihrem vom Triebgeist und Instinktblock beherrschten ‹Denken› wahrzunehmen, erfüllt das gefiederte Liebespaar mit seinem Verhalten ein uraltes Sehnen des Menschen, nämlich das lebenslängliche und harmonievolle Zusammenleben und die Vertrautheit und liebevolle Zuneigung zu einem geliebten Lebenspartner, einer Freundin oder Begleiterin.
Unter Umständen wird sich das unscheinbare Entenpaar zeitlebens nie mehr trennen, und es wird kaum jemals einen unlogischen und missverständlichen Grund der Zwietracht finden, genau so, wie es die schöpferische Kraft und Evolution für die beiden vorgesehen hat. Sie werden sich nicht gegenseitig kritisieren, glossieren oder bemängeln, sich weder gewaltsam und übergreifend verändern wollen, noch missachten oder verbiegen. Sie werden sich an ihrem Federkleid, dem Klang ihres Geschnatters und am charakteristischen Watschelgang sowie an vielen anderen und den Menschen unbekannten Merkmalen ihrer Art erkennen – jederzeit, Jahr für Jahr. Doch sie werden diese Zeichen nutzen, um sich durch ihre arteigene und instinktgesteuerte Bewusstseinsform an der Existenz und Gegenwart des anderen zu erfreuen, denn ein Entenpaar denkt nicht bewusst darüber nach, worüber es sich streiten oder wie es einander quälen könnte.

Mit dem Fliessen des Wassers werden die Menschen von ihrer eigenen Vergänglichkeit begleitet und ihre Existenz wird unweigerlich zu gegebener Zeit mit dem Sterben zu Staub zerfallen. Die Steine, Bäume, Gebirge, Welten und Gestirne bleiben bis zu ihrer Wandlung während Jahrhunderten bis Jahrmilliarden bestehen. Selbst das scheinbar Endlose hat eine Endlichkeit, wie dies im Buch GENESIS von ‹Billy›, entgegen der Unlogik kultreligiöser Schriften, ausführlich und einzigartig logisch beschrieben wird.