Worte und Gedanken an eine Selbstmörderin

Es waren sicherlich auch ehrliche und gute Menschen dabei, denen Dein Wohlbefinden wirklich am Herzen lag. Menschen, die sich nicht nur aus rein beruflichem Interesse um dich gekümmert haben. Letztendlich hättest Du Dich einfach nur über ein paar vertrauensvolle Worte eines lieben Menschen gefreut, der Dich in den Arm genommen und Dir für wenige Minuten eine Rast der Lebenslast ermöglicht hätte.
Die Menschen sind Dir nicht grundsätzlich feindlich gesinnt, auch dann nicht, wenn Du oftmals versuchst, Dir diese Vorstellung einzureden. Der Zweck und die Absicht meiner Worte liegen nicht darin, Dich gewaltsam von deinem Vorhaben abzubringen. Es liegt mir fern, Dich mit psychologischen Argumentationen, missionierender Überzeugungsarbeit oder ideologischen Bekehrungen, mit einer kultreligiösen oder philosophischen Moralpredigt sowie heuchlerischer Überredungskunst von den Schönheiten des Lebens zu überzeugen. Deine Selbstverantwortung ist unbestritten. Niemand vermag Dir dauerhaft das Messer gewaltsam aus der Hand zu nehmen. Es liegt in Deiner eigenen Einsicht, Erkenntnis und Erfahrung, die geschlossene Faust zu öffnen und die Waffe fallenzulassen. Die Entscheidung, den finalen Schritt über die endgültige Schwelle zu schreiten, liegt letztlich immer in Deinem eigenen Ermessen. Das ist eine unwiderlegbare Tatsache. Niemand hat das Recht, Dich deswegen zu verurteilen oder als minderwertig oder unfähig zu beschimpfen. Seitens des Schreiberlings kann ein gewisses Verständnis für Dich nicht bestritten werden. Dennoch sprechen zahlreiche Gründe gegen einen Suizid. Verständnis für Deine Lage zu zeigen bedeutet nicht, das Vorhaben zu unterstützen oder dieses gutzuheissen. Versuche Dir jedoch darüber Klarheit zu verschaffen, ob Du tatsächlich noch Herr Deiner Lage und Entscheidung bist oder ob Du im Affekt handelst. Du hast gegenwärtig nur dieses eine Leben, hüte Dich davor, es missverständlich, voreilig oder unüberlegt zu beenden.