Prof. R. LÖW

Ich vermute, dass sich der Grossteil der Bevölkerung diesen grundsätzlichen Aussagen anschliessen dürfte, was auch damit verbunden ist, dass die meisten Menschen die Fragen nach dem Ablauf und den Mechanismen der Evolution als weitgehend geklärt ansehen.

Ist dies aber tatsächlich der Fall und hält die moderne Evolutionsforschung auf der Grundlage einer naturalistisch-materialistisch ausgerichteten Weltanschauung tatsächlich alle fundamentalen und wichtigen Aussagen zum Thema Evolution bereit? Nein, das ist ganz sicherlich nicht der Fall, was ich Ihnen auch gleich anhand eines Beispiels aufzeigen werde. Betrachten wir dazu doch ein Lebewesen, das Ihnen sehr nahe steht und Ihnen deshalb auch mehr als bekannt sein dürfte. Es sind Sie selbst, also ein Mensch.

Was meinen Sie? Kann Ihnen ein Evolutionsforscher dieser Welt eine Antwort auf die Frage geben, warum Sie sich aus der ersten Eizelle heraus zu einem Menschen entwickelt haben? Nein, kein Forscher dieser Welt kann Ihnen eine vernünftige Antwort auf diese Frage geben, da sich die Frage nach der Formgebung von Lebewesen noch als völlig offen darstellt. Auch der Hinweis auf ‹Gene› und deren Entschlüsselung hält hier keine Antwort bereit, denn im übertragenen Sinn wurden lediglich die Buchstaben des menschlichen Genoms entschlüsselt und beschrieben. Wer oder welche Kraft aber ist es, die den Buchstaben/ Zellen sagt, dass sie sich zu Worten und Sätzen und in der Summe zu einem überlebensfähigen Lebewesen zusammenfügen sollen? Wer oder was setzt den in jeder Zelle vorhandenen Bauplan um und sorgt dafür, dass sich prinzipiell identische Zellen nach der Befruchtung milliardenfach duplizieren und Knochen, ein Herz, Muskeln, ein Gehirn und, in der Summe, ein überlebensfähiges Lebewesen ergeben? Wer oder was sorgt dafür, dass ständig Gene ein- und ausgeschaltet werden (Genexpression), um die Form von Lebewesen nicht nur zu bilden, sondern bei Verletzungen auch zu erhalten und zu reparieren? Die Gene selbst können es nicht sein, denn:

«Es gibt weder eine logische noch auf Fakten beruhende Begründung für die Annahme, dass Organisationen mit dem Hinweis auf ‹Gene› erklärt werden können. ‹Das ist eine blosse Behauptung, die sich auf blinden Glauben und unqualifizierte, vereinfachende vorgefasste Meinungen gründet›.»

PAUL WEISS, Rockefeller University, New York

Die zentrale, wichtige und offene Frage ist deshalb, wer oder welche Kraft dafür verantwortlich und zuständig ist, den in jeder einzelnen Zelle vorhandenen Bauplan auszulesen und umzusetzen. FRANCIS CRICK, der als Mitentdecker der DNA-Struktur den Nobelpreis erhielt und der sicherlich als ein Kenner der wissenschaftlichen Forschung angesehen werden kann, beschrieb den Stand der Evolutionsforschung hinsichtlich der Frage nach der Formgebung wie folgt:

«Man könnte die gesamte genetische und molekularbiologische Arbeit der letzten 60 Jahre als ein langes Intermezzo bezeichnen … Nachdem dieses Programm jetzt abgeschlossen ist, sind wir in einer vollen Kreisbewegung zum Ausgangspunkt zurückgekehrt … zu den ungelöst zurückgelassenen Problemen. Wie kommt es, dass ein verletzter Organismus sich zu genau derselben Struktur regeneriert, die er vorher hatte? Wie formt das Ei den Organismus?»