Todesstrafe in Europa aufgehoben

Selbst sogenannte Schwerverbrecher und Terroristen sind Menschen, die in einer ganz bestimmten Lebenssituation einen gewaltigen Fehler begingen und dabei unter Umständen einen anderen Menschen schwer verletzt, misshandelt oder ermordet haben. Vielleicht war die Tat geplant, vielleicht resultierte sie aus einem Affekt. Mit Sicherheit entspricht oder entsprach die Tat jedoch nicht der naturgegebenen Charakterhaltung oder einer grundsätzlich bösartigen Gesinnung des straffälligen Menschen. Die Tat ist letztendlich das Ergebnis fehlgeleiteter Gedankenweisen und der daraus resultierenden Lebensgestaltung, die es durch bestimmte Massnahmen zu korrigieren gilt. So gesehen entspricht eine kriminelle und strafbare Handlung einem gewissen bewusstseinsmässigen, moralischen oder ethischen Defizit. Ein Defizit, das durch den Kriminellen oder die Kriminelle in einem langjährigen Lern- und Verarbeitungsprozess aufgearbeitet werden muss. Auf jeden Fall hat dieser Mensch jedoch die Verantwortung für seine Handlungen zu tragen, die aber durch ein zweckdienliches Lernen und Erkennen der begangenen Fehler sowie deren weitreichende Behebung abgegolten werden muss und niemals durch die/eine Folter- und Todesstrafe behoben werden kann.

Ein interessantes Beispiel für eine Kehrtwende ehemals militanter Extremisten wurde am 9. Juli 2002 in der Zeitung "Tages-Anzeiger" veröffentlicht. Die Führer der Gamaat-al-Islamiyah, der grössten ägyptischen Gruppe militanter Islamisten, entschuldigten sich bei den Opfern ihrer Bluttaten. Es handelt sich um jene Organisation, die im Jahre 1997 in Luxor für den Tod von 58 Touristen verantwortlich war. Sie kommen in ihrer Erklärung zum Schluss, dass Gewalt und sogar verbale Gewalt im Islam nicht erlaubt sei, um andere Muslime auf ihre Fehler aufmerksam zu machen und sie auf den richtigen Weg zu führen.

Dieser Lernprozess kann unter gewissen Umständen durch eine lebenslängliche Verbannung an einen dafür vorgesehenen Massnahmeerfüllungsort stattfinden, an einem abgeschiedenen Ort, an dem sich der oder die Betroffene seiner/ihrer Taten bewusst werden kann, darüber nachzudenken lernt und die Folgen seiner/ihrer unrechtmässigen Handlungen und Verbrechen erkennt.

Für diesen Lernprozess muss der betroffene Mensch jedoch am Leben bleiben und nicht durch die Todesstrafe ermordet werden. Denn allein nur durch ein ganz bewusstes Nachdenken und Reflektieren seines Lebens, seiner kriminellen Handlungen und Taten kann der fehlbare Mensch zur Erkennung von Falschhandlungen und Vergehen gelangen. Diese Erkenntnisse werden letztendlich über Jahre hinweg in seinem laufenden Leben gewisse Erfolge zum Besseren zeitigen. Und demzufolge werden die erlangten Erkenntnisse auch auf die nächsten Leben neuer Persönlichkeiten eine natürliche und logische Auswirkung haben.

Hat der kriminelle Mensch jedoch nach einer Todesstrafe-Ermordung keine Möglichkeit mehr, über seine Fehler nachzudenken, und vermag er daher diese auch nicht mehr als solche zu erkennen und zu ändern, dann wird seine Entwicklung diesbezüglich in Stagnation verharren und ähnliche Vergehen werden sich unter Umständen in späterer Zeit und in einem späteren Leben einer neuen Persönlichkeit wiederholen. Dieser Vorgang wird sich so lange im Kreise drehen, bis der oder die Betroffene eines Tages zur bewussten Einsicht in die unrechtmässige Handlungsweise gelangt und diese aufzulösen vermag.