"Geistheilung", Pseudoberatung und Scharlatanerie

Wer etwas auf sich hält, steht längst in einer persönlichen Beziehung zu seinem "Schutzgeist" und "Schutzengel" oder hat gelernt, mit seinem zuständigen Engel zu beten. Die "Erleuchteten" und "Eingeweihten" verfügen zumindest über einen eigenen "Geistführer", haben einen Ausserirdischen zum Freund oder eine reizvolle, möglichst blonde Ausserirdische zur Freundin. Diese stammen mit Vorliebe von den "Plejaden", aus dem "Sirius-Gebiet", von "Alpha-Centauri" oder vom "Orion-Nebel". Andere Gebiete des Weltenraums sind in der Esoterikgemeinde eher die Ausnahme.

Für Anfängerinnen und Anfänger werden teure Wochenend-Seminare zum Aufbau eigener "Channels" angeboten. Als Anfängerbonus wird zumindest die Verbindung in die AKASHA-Chronik garantiert. "Online ist in". Je entfernter der angeblich kontaktierte Planet, je feinstofflicher der "empfangene" Strahl, je fremder die "erreichte" Dimension und je utopischer und unaussprechlicher deren Namen, desto glaubwürdiger und bewiesener ist die neue Erfahrung oder "Bewusstseinsstufe". Begriffe aus dem Sanskrit, den indischen Veden oder aus den buddhistischen Pali-Texten haben Hochkonjunktur. Doch dürfen auch gelegentlich futuristische Namen aus der Science-fiction-Literatur für eine neue "spirituelle" Erfahrung entlehnt werden.

Selbst der irdische Marktwert "spirituellen" Wissens und Erfahrung zeugt von "Evolution". So steigt selbstredend der Preis in Relation zur erreichten "Bewusstseinshöhe" des Meisters. Denn "wahrliches" Wissen und Erleuchtung ist nicht billig und wird mittlerweile im Minutentarif verrechnet. Tel. 0900...! Hellsehen, Fernheilung, "karmische" Beratung und Zukunftsschau per Telephon - für läppische CHF 4.20 pro Minute. Selbst das "Sohar" ist nicht mehr umsonst zu haben. Entgegen aller vermeintlich "geistig" und "seelisch" erlangter Werte müssen die irdischen "Beratungs-Honorare" jedoch noch immer in "klirrender" Münze an die "Weisen" und "Lehrer" überwiesen werden. Die Antwort der "Coacher" ist denkbar einfach: "Körper", "Geist" und "Seele" vermögen eben nicht ohne die Materie zu bestehen!

Auch "Swami Wunderlampe" lebt nicht nur allein von "Luft" und "Liebe". In der Meditation eignet sich doch als Mantra auch ein glänzender Rolls-Royce hervorragend - spärlich bekleidete und willige Jüngerinnen inklusive.

"Neuzeit-Erleuchtete" kennen die neuesten esoterischen Ratgeber und Trends, haben mindestens zwei Seminare eines "indischen" Gurus besucht oder zumindest einen Kursus an einer der vielen "unabhängigen" Geist-Heiler-Schulen absolviert. Als Zeichen "hoher" Meisterwürde und baldiger Evolutionsbeendigung werden auch gleich noch die Namen erneuert. Ganz nach dem Motto: "Ein neuer Name, ein neuer Mensch." Selbsterkenntnis aus dem Katalog und Aufstieg in ungeahnte Dimensionen im Eilzugtempo. Aus Manfred H. wird "Swami Nidiaye", Karin D. nennt sich plötzlich "Kailash Arkuna", und Manfred T. wandert als "Sivananda Bodhi" zu höherem Bewusstsein (Namen frei erfunden).

Erleuchtung fordert Veränderung. Das Abonnieren der einschlägigen Zeitschriften gehört zur Standardausrüstung der "Esoterikgemeinde". Die Umstellung auf vegetarische Rohkost-Ernährung wird als erster Schritt grosser Erleuchtung gerühmt, denn das niedliche Kaninchen könnte die eigene Grossmutter, die saftige Hammelkeule ein Ur-Ur-Onkel sein.