WZ-Nr. 182: Sich selbst helfen

43. Jahrgang, März 2017
Wassermannzeit-Verlag / «Billy» Eduard Albert Meier

Es begann damit, dass er sich Gedanken darüber machte, wie er sein Geld ein wenig vermehren könnte, um sich selbst bis ans Ende seiner Tage ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen und auch uns ‹Kindern› noch einen rechten Batzen hinterlassen zu können. So war es naheliegend, dass er auf einen der Briefe ansprach, die regelmässig ins Haus flatterten mit beispielsweise der Aussage: «Sie haben 2 Millionen Euro gewonnen, wenn Sie Franken 20.–, 30.– oder 50.– in ein Briefcouvert stecken und es an uns retournieren.» Mit dem ersten so investierten Geldbetrag trat er eine Lawine los, die eine richtige ­Abwärtsspirale auslöste. Nach und nach füllte sich sein Briefkasten täglich mit Dutzenden gleichartiger Briefe aus aller Welt, und er ­bestückte munter Briefumschlag um Briefumschlag mit Banknoten. Diese Briefe las er immer von A bis Z durch, nahm die utopischen, aber äusserst raffinierten Versprechungen eins zu eins für bare Münze und versuchte auch, wenige andere davon zu überzeugen, dass sein Geldsegen unmittelbar bevorstand. Dieser sich stetig verschlimmernde Zustand zog sich über zwei bis drei Jahre hin. Dazu muss man wissen, dass mein Vater zwar ein sehr gläubiger, aber ansonsten kluger, belesener und intelligenter Mann ist. Das heisst, seine Persönlichkeit hatte sich (nochmals) gespalten. Abgesehen von den Geldgeschichten und dem Glauben funktionierte sein Gehirn einwandfrei, und er wusste genau, wen er einweihen konnte und wen nicht. Aussenstehende hätten es nie für möglich gehalten, dass ausgerechnet er so einem Bluff auf den Leim gehen konnte. Da mein ­Vater, der schon immer dazu neigte, recht viel von seiner eigenen Meinung zu halten und sich völlig resistent zeigte gegenüber meinen stetigen warnenden Worten, nahm das Verhängnis immer mehr seinen Lauf.