WZ-Nr. 161: Punks – die Warzen der Gesellschaft

Wie diese Punker, so war auch ich ein Unzufriedener und kam mit der allgemein herrschenden Lebensweise einfach nicht klar. Endlich tat sich da ein Raum auf, wo man sich Luft verschaffen konnte, wo sich angesammelter Druck entladen konnte, wo man den ganzen inneren Müll hinausschreien konnte. Bei mir hatte sich viel Dunkelheit, Wut und Verzweiflung angesammelt, und der Punk sollte mir bald in Fleisch und Blut übergehen. Die mörderische ‹Karriere›, die ich in folgender Zeit in diesem Umfeld machte, trieb mich bald an den äussersten Rand eines Abgrundes, der, hätte ich noch einen weiteren Schritt in diese Richtung getan, mein Verderben hätte sein können. Was mich zum Punk machte, war, neben der feigen Flucht vor dem wirklichen Leben, der Verantwortung und dem fehlenden Vertrauen in mich selbst (was ich damals in dieser Tragweite noch nicht erkannte), auch die Lust und das unbändige Verlangen in mir, die Schatten und Abgründe des Menschseins zu erfahren. Ich wollte dorthin, wo das Leben schmerzt und brodelt. Da war ein Lebenshunger nach echten Erfahrungen, nach Herausforderungen, die Suche nach elementaren Werten, das Verlangen, neues Land zu betreten. Das folgsame, nette Funktionieren in diesem wohlgeordneten Land Schweiz mit lieben, verständnisvollen Eltern roch für mich einfach nach Einschläferung des inneren Feuers; alles erschien mir plötzlich wie ein schwerer Klotz, an den ich gefesselt war und der mich daran hinderte, meinen Weg zu suchen und zu gehen. Eine weitere fixe Idee, die sich in mir bildete, war, das Punk-Sein derart auf den Gipfel und die Provokation derart weit zu treiben, dass die mit mir in Berührung kommende Gesellschaft einfach reagieren und mir die Stirn bieten musste, dass sie aus ihrer Selbstzufriedenheit erwachen und sich Fragen stellen sollte wie: «Was ist eigentlich los, dass wir solch gestörte Jugendliche haben, warum sind derartige Auswüchse möglich?» usw. Ja, selbst meine Mitpunks wollte ich vor den Kopf stossen und sie dazu drängen, die Welt und sich selbst in Frage zu stellen. Aber nichts dergleichen geschah; die Menschen nahmen einfach einen Schritt mehr Abstand von einem, um nicht selbst vom zerstörerischen Sog erfasst zu werden, den man verursacht hatte. Es gab keinen Widerstand, keine Auseinandersetzung, keine Fragen nach dem Kern des Lebens und also keine Antworten. Man hätte sich in Würfel schneiden oder zerfetzen können, nicht der allerkleinste Windhauch hätte deswegen in eine andere Richtung geweht – so erlebte ich es damals. Diese für mich ungeheuer ernüchternde Erfahrung liess meine Denkweise bröckeln und brachte sie zum Einsturz.