Auszüge aus dem 620. offiziellen Kontaktgespräch vom 23. April 2015

Delgado und ‹Blackbird›-Chef Andrews waren indes nicht die einzigen Experten, die sich hatten ­täuschen lassen. Der kanadische Meteorologe Terence Meaden hatte zur Erklärung der Kornkreis­bildung eine Vermutung aufgegriffen, über die bereits 100 Jahre zuvor das renommierte Wissenschaftsblatt ‹Nature› berichtet hatte: nämlich dass Kornkreise von Zyklonen verursacht sein könnten. ­Meaden nahm an, dass die Luftströme in der Hügellandschaft von Südengland elektrostatische Wirbel erzeugten, die in der Lage waren, solche Kreise zu formen.

Je komplizierter die Kreisformationen wurden, umso ausgefeilter wurden Meadens Erklärungen. Seine Theorie stiess an ihre Grenzen, als Bower und Chorley schliesslich noch gerade Linien in ihre Kunstwerke einführten, die ganz sicher nicht natürlichen Ursprungs sein konnten.

Nachts in Devil's Punchbowl
Dabei war alles so einfach. Noch an jenem Abend nach dem Kneipenbesuch im Sommer 1978 hatten sich die beiden Männer einen Spass machen wollen. Sie holten eine Eisenstange, mit der Bower für gewöhnlich die hintere Tür seines Bilderrahmengeschäfts in Southampton sicherte, schlichen damit die Traktorspur entlang auf ein Feld, drehten sich mit der Stange waagerecht auf Kniehöhe im Kreis und lachten sich dabei halbtot. Sie wiederholten die Aktion mehrere Male. Nicht nur im Sommer 1978, ­sondern fortan in jedem Sommer – immer mit der Hoffnung, jemand würde davon Notiz nehmen, und es würde irgendwann einmal in der Zeitung stehen. Doch drei Jahre lang passierte nichts.

Umso mehr freuten sich die beiden, als 1981 zum ersten Mal in ‹Devil's Punchbowl›, einem Tal westlich von Hindhead, Getreide angebaut wurde. Sie konnten kaum erwarten, dass die Halme wuchsen – denn das Feld war von der Strasse einsehbar. Hier würden ihre Kreise nicht unbemerkt bleiben.

Ihre Methoden hatten die beiden Künstler mittlerweile verfeinert: Ihr Werkzeug bestand aus einer Holzlatte, deren beide Enden mit einem Seil verbunden waren. Das Seil hielten die Männer in der Hand, mit dem rechten Fuss auf dem Brett drückten sie die Pflanzen so Runde für Runde vor sich ­nieder, möglichst ohne sie zu zerbrechen. Für gerade Strecken hatte sich Bower mit einem Draht einen Ring an der Schirmmütze gebastelt, durch den er ein Objekt in der Ferne anpeilen konnte und so nie die Richtung verlor.

Zur Rede gestellt
Unzählige Sommernächte verbrachten Bower und Chorley auf diese Weise im Feld – ohne je ertappt worden zu sein. Dafür mussten sie um ihr Leben bangen, als Jäger sie offenbar für Wild hielten und auf sie schossen. Ein anderes Mal, so erzählten sie der Zeitung, seien sie einer Polizeistreife verdächtig gewesen. Doch die habe sich mit der Erklärung zufrieden gegeben, die beiden Männer würden Vogelstimmen erforschen.

Nur seiner Frau hatte Bower auf Dauer nichts vormachen können. Ihr war aufgefallen, dass ihr Mann des Öfteren nachts nicht nach Hause kam – im sechsten Jahr schöpfte sie Verdacht und stellte ihn zur Rede. Wie sie es in einem Spielfilm gesehen hatte, hatte sie den Kilometerstand des Wagens überprüft und dabei festgestellt, dass ihr Mann innerhalb einer Woche 400 Meilen gefahren war. Den Verdacht, es gäbe eine andere Frau, meinte Doug rasch entkräften zu können, indem er Ilene die Skizzen ihrer nächtlichen Schöpfungen vorlegte. Allerdings glaubte sie ihm anfangs nicht und verlangte zum Beweis eine präzise Vorhersage über die nächste Erscheinung.

Das Glaubwürdigkeitsproblem sollte den beiden Männern noch öfter begegnen. Denn nachdem die vermeintlichen Experten Delgado und Andrews auf so entlarvende Weise von der ‹Today› bloss­gestellt worden waren, hatten sie zwei Tage später ihre Meinung geändert. Gegenüber Journalisten behaupteten sie nun, bei dem Kreis von Bower und Chorley handle es sich zweifelsohne um keinen ­‹echten› Kornkreis, da die Halme erkennbar gebrochen, nicht gebogen seien. Das allerdings konnte kaum wirklich überraschen, waren doch nach der sensationellen Enthüllung Dutzende Reporterteams aus aller Welt über das fragliche Zeichen im Kornfeld getrampelt.