EU-Verfassung ermöglicht Todesstrafe und Tötung durch Militär und Sicherheitsorgane, wie auch Hinrichtungen bei ‹Aufstand›, ‹Aufruhr›, Demonstration und Unruhen

Wer bestimmt was ein Aufstand oder Aufruhr ist? Für so eine Interpretation ist Tür und Tor offen. Jede Demonstration in der einige Teilnehmer Gewalt anwenden, könnte so bezeichnet werden. Waren die Montagsdemonstrationen damals auch ein Aufstand? Wenn sich Leute versammeln und den Rücktritt einer Regierung verlangen, das Parlament mit Steinen bewerfen, wie wir in den letzten Monaten in Lettland, Bulgarien, Rumänien und Griechenland gesehen haben, ist das dann Aufruhr? Können dann die ‹Rädelsführer› an die Wand gestellt und exekutiert werden, oder durch ein Gericht zum Tode verurteilt werden? Was nicht in einem Gesetz ausdrücklich verboten ist, könnte die Staatsmacht auslegen wie sie will, und EU-Recht steht über dem Recht der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Ausserdem befinden wir uns ja wie die Regierungen sagen in einem Krieg, dem ‹Krieg gegen den Terror› und in Afghanistan sowieso.

Hier ein Ausschnitt aus einem Interview mit Professor Schachtschneider, welches er der Deutschland Debatte gab:

DD – Stichwort Grundrechte: Sie erwähnten zu Anfang, dass nicht einmal das Recht auf Leben durch die Grundrechtecharta der EU-Verfassung verlässlich gesichert ist und unter bestimmten Umständen die Todesstrafe wieder möglich würde?

Schachtschneider: Ja, kommen wir zu den Grundrechten, z.B. dem Recht auf Leben, und sehen uns das im Detail an. In Art. II–62 VV steht: ‹Niemand darf zum Tode verurteilt werden, niemand darf hingerichtet werden.› – In Ordnung. Aber das ist nicht die Wahrheit! Im Verfassungsvertrag steht nämlich, dass die Erklärungen zu den Grundrechten, die im Grundrechtekonvent unter Roman Herzog mit dem Text der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) übernommen worden und lange diskutiert worden sind, die gleiche Verbindlichkeit haben wie der Grundrechtstext selbst. In den Erklärungen kommt die Wirklichkeit! Die Grundrechtecharta richtet sich, jedenfalls in den klassischen Grundrechten, nach der EMRK von 1950. Damals war es wohl nicht anders möglich, als dass man den vielen Mitgliedstaaten des Europarates die Möglichkeit der Todesstrafe liess. Deutschland hatte die Todesstrafe gerade abgeschafft, 1949, aber Frankreich, Grossbritannien und viele andere Staaten hatten sie noch, und es wäre nie zu einer Menschenrechtserklärung gekommen, wenn man auf allgemeiner Abschaffung der Todesstrafe bestanden hätte.