Mutter Teresa

Ein Interesse an den Menschen, an einer Veränderung ihrer sozialen Situation, hatte die Friedensnobelpreisträgerin nicht. Denn eines wusste der Engel der Armen nur zu genau: Nur wenn es weiterhin Arme, viele Arme gibt, würde sie auch weiterhin deren Engel sein.
Gunnar Schedel

– Dr. Dipankar Chakraborti, ein Wissenschaftler der Jadvapur Universität ist Experte für ein Problem, das zu einer der neuen Plagen Kalkuttas geworden ist: Arsenkeratosen, eine Hautkrankheit, die häufig mit Hautkrebs einhergeht, verursacht durch vergiftetes Grundwasser. Er schätzt, dass das verseuchte Gebiet um die 40 000 Quadratkilometer umfasst und zwei Millionen Menschen dem Gift ausgesetzt sind; bei 200 000 manifestieren sich die Anzeichen der Krankheit, die von den Behörden bisher weitgehend ignoriert wird (1996). «Dies ist der Preis, den wir für den Bevölkerungszuwachs zahlen», sagt er. «Entweder wir fangen an, die Geburtenrate drastisch zu senken, oder dieses gesamte Gebiet wird im Jahr 2025 eine Wüste sein. Deshalb ist Mutter Teresas Stellungnahme zur Abtreibung so absurd.»
Dr. Dipankar Chakraborti

– Um die Seligsprechung von Teresa offiziell zu machen, musste ein posthumes Wunder her. Das war in der kleinen Stadt Dangram schnell gefunden, in Form der armen Inderin Monica Besra. Ein Jahr nach dem Tod der Ordensmutter habe sich die Frau mit Unterleibschmerzen an die Schwestern gewandt. Ein Medaillon der guten Nonne habe ihr Problem im Nu gelöst – ein Tumor im Unterleib wurde wundersam geheilt. Monatelang protestierte der Ehemann gegen diese Version der Geschichte: «Meine Frau wurde durch die Ärzte geheilt und nicht durch ein Wunder.» Tatsächlich war Besra zuvor im Krankenhaus gewesen. «Diese Wunder-Behauptung ist absoluter Unsinn und sollte von jedem verdammt werden», meint auch der Arzt Ranjan Kumar Mustafi, der Besra behandelt hat. «Sie hatte eine mittelgrosse Wucherung in ihrem Unterleib, die von Tuberkulose verursacht worden war. Die Medizin, die ihr gegeben wurde, reduzierte die zystische Masse, bis sie nach einem Jahr verschwand.» Man sollte wissen, dass Mutter Teresa unter Kalkuttas Intellektuellen keine allzu grosse Beliebtheit geniesst.