Historische Wurzeln der Bevölkerungsexplosion

Die Weitergabe bzw. Anwendung all dieser Weisheiten ermöglichte es den Frauen, über ihren Körper, über Zeugung, über Schwangerschaft und Geburt selbst zu bestimmen und nur dann Kinder zu empfangen oder auszutragen, wenn sie es auch wollten. Und der Wille dazu hing auch davon ab, ob für das Kind eine hinreichende materielle Existenzgrundlage und ein menschenwürdiges Leben zu erwarten waren. Boten sich in dieser Hinsicht keinerlei Perspektiven, sondern nur Hunger, Armut, Ausbeutung, Unterdrückung, dann hatten die Frauen wenig Motivation, Kinder in die Welt zu setzen. Und die Hexen wussten, wie man das verhüten oder verhindern konnte, wenn es nicht erwünscht war.

So gab es – übrigens verbreitet über die ganze Welt – das Wissen um die Wirksamkeit bestimmter Pflanzen, die – zum Beispiel zu Tee verarbeitet und den Frauen verabreicht – für mehrere Jahre eine Empfängnis verhüteten. (DeMeo hat auch hierüber interessantes historisches und ethnologisches Material zusammengetragen.) Auf diese Weise konnten die Frauen ihre Sexualität ohne die ständige Angst vor unerwünschter Schwangerschaft ausleben. In Europa war dieses Wissen bereits im Mittelalter unter dem Einfluss der Kirche tabuisiert und in den Untergrund abgedrängt worden, wo es von den Hexen gehütet und immer wieder an andere Frauen weitergegeben wurde.

Welches Interesse hatte die Kirche, dieses Wissen schliesslich vollständig auszurotten? Es war sowohl ein ökonomisches wie ein sexualökonomisches Interesse, und mit der Verfolgung und Vernichtung der Hexen schlug die Kirche sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe.

DIE VERNICHTUNG DES VERHÜTUNGSWISSENS ALS MITTEL DER MENSCHENPRODUKTION
Der Beginn der systematischen Hexenverfolgung fällt nicht von ungefähr in eine Zeit, in der durch klimatisch bedingte Hungerkatastrophen, durch verheerende Wirtschaftskrisen und die grosse Pest Mitte des 14. Jahrhunderts die Bevölkerung in Europa dramatisch schrumpfte. In manchen Gegenden hatte es 70 Prozent der Bevölkerung hinweggerafft, der Durchschnitt in Europa wird auf ungefähr 50 Prozent geschätzt.