Wodurch wird ein Mensch zum Amokläufer ...

Ein zweites Beispiel für geschlechtsspezifische Verhaltenssteuerung von Kindern und Jugendlichen stammt aus einer Repräsentativbefragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Von 14- bis 16-jährigen Jungen und Mädchen wollten die Forscher im Jahr 1998 folgendes wissen: «Wie würden wohl deine Eltern und Freunde reagieren, wenn sie erfahren, dass du auf dem Schulhof jemand nach einem Streit massiv zusammen geschlagen hast?» Die Mädchen prognostizierten fast durchweg heftigen Tadel von Seiten der Eltern und ganz überwiegend starke Ablehnung durch Gleichaltrige. Von den Jungen dagegen erwartete fast ein Viertel nach einer derartigen Geschichte zumindest von den Vätern Akzeptanz oder gar Lob; eine stark negative Reaktion sahen weniger als die Hälfte voraus. Und im Hinblick auf ihre Freunde prognostizierten sie überwiegend Zustimmung.

Als dritten Einflussfaktor möchte ich hier die Gewalt in der Familie nennen. Soweit sie sich gegen Kinder und Jugendliche richtet, sind hier zwar Mädchen und Jungen in gleicher Weise betroffen. Ein Unterschied ist dabei jedoch, dass massive Misshandlungen häufiger von den Vätern als den Müttern ausgehen. Hinzu kommt, dass die Kinder in solchen Familien sehr oft beobachten müssen, wie der Vater die Mutter schlägt. Beides prägt die Betroffenen in unterschiedlicher Weise. Mädchen geraten dadurch, wie Peter Wetzels in seiner am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen durchgeführten Untersuchung aufzeigen konnte, sehr häufig in die Opferrolle. Wenn sie selber vom Vater in der Kindheit massiv geschlagen worden sind und ferner häufig beobachten mussten, wie der Vater die Mutter prügelt, erhöht sich ihr Risiko, später an einen gewalttätigen Ehepartner zu geraten, um etwa das Sechsfache. Die Jungen dagegen erlernen durch solche Negativvorbilder eher die Täterrolle. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie selber Gewalttäter werden, erhöht sich im Vergleich zu gewaltfrei erzogenen Jungen um das Drei- bis Vierfache.

Und schliesslich gibt es einen vierten Faktor, der im Hinblick auf die wachsende Diskrepanz bei der Gewaltkriminalität von männlichen und weiblichen Jugendlichen und Heranwachsenden Beachtung verdient: Der stark wachsende Anteil der Jungen, die sich täglich Horrorfilme anschauen.