Die Erde wird knapp
Das von den meisten Ländern und internationalen Organisationen verdrängte Grossproblem 'Überbevölkerung' zeigt weitere Auswirkungen. Die Binsenwahrheit, dass die stete Vermehrung einer Population auf einer begrenzten Bodenfläche früher oder später zu tödlichen Problemen führen wird, zeigt sich seit einiger Zeit an einer neuen Form von Kolonialismus, der sich schleichend über verschiedene Schwellenländer (Dritte Welt) verbreitet. In asiatischen, afrikanischen und südamerikanischen Staaten haben ausländische Staaten und Firmen riesige Grundstücke, ja ganze Landstriche gepachtet oder gekauft - ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist und bei dem es um Dutzende Millionen Hektar Land geht.
Klar, ganz neu ist solcher Kolonialismus ja nicht, denn in den vergangenen Jahrhunderten wurden bekanntlich ganze Länder und Kontinente konfisziert, sprich gestohlen (man denke an Christoph Columbus und dessen Nachfolger). Bei dieser neuen Art der Landnahme scheint jedoch immerhin eine gewisse legale Grundlage vorhanden zu sein, d.h., dass Verträge abgeschlossen wurden und werden.
Grundsätzlich mag es ja sinnvoll erscheinen, wenn reiche Nationen in armen Ländern in die Landwirtschaft investieren, weil damit auch gewisse Verbesserungen in der Infrastruktur einhergehen und Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung geschaffen werden. Ausserdem können neuzeitliche Agrartechniken, die ans lokale Klima angepasst sind, und robuste Nutzpflanzen einen wichtigen Beitrag leisten zur notwendigen Erhöhung der Lebensmittelversorgung der irdischen Bevölkerung. Es ist zudem verständlich und nachvollziehbar, dass Länder mit hoher Bevölkerung und/oder wenig landwirtschaftlicher Nutzfläche sich fruchtbares Land sichern wollen, weil sie mangels Bevölkerungsreduktionsmassnahmen und wegen stetiger Vernichtung der eigenen fruchtbaren Anbauflächen die benötigten Lebensmittel nicht mehr umfänglich im eigenen Land anbauen können. 'Normal' ist aber auch die Tatsache, dass dieser Kolonialisierungs-Prozess von vielen 'Profitgeiern' begleitet wird. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen, finden auch hier Gier und Eigeninteressendurchsetzung breite Anwendung, wobei korrupte Staatsbeamte und regionale Machthaber sich ihren persönlichen Anteil am finanziellen Kuchen abschneiden. Wenn im internationalen Finanzbereich Krise herrscht, lassen sich langfristig im Bereich verknappender Lebensmittel schöne und sichere Profite erzielen.
Diese neue Form von Kolonialismus wird im Englischen als 'Land Grabbing' bezeichnet, was auf deutsch mit 'Landergreifung' oder 'Landnahme' übersetzt werden kann. Die ausübenden Länder selbst nennen es 'Offshore farming', was übersetzt als 'Auslands-Landwirtschaft' bezeichnet werden kann.
Die spanische Nonprofit-Organisation Grain liefert auf ihrer Website Hintergrund- und Basiswissen zum Thema. So veröffentlichte sie eine Liste jener Länder, die im vergangenen Jahr 2008 zur Festigung ihrer eigenen Ernährungssicherheit als 'Landnehmer' tätig waren bzw. diesbezügliche Projekte vorantrieben. Aufgeführt sind folgende Länder: Die Golfstaaten Bahrein, Kuweit, Katar, Saudi-Arabien und Arabische Emirate sowie China, Aegypten, Indien, Japan, Jordanien, Libyen, Malaysia und Südkorea. Ausserdem sind Firmen und Banken aus Littauen, Schweden, Grossbritannien, USA, Holland, Israel, Russland und Dänemark aufgelistet.
Welche Dimensionen diese transnationalen Pläne und Vereinbarungen inzwischen angenommen haben, sollen nachfolgend ein paar Beispiele aufzeigen:
Auf Madagaskar hat Präsident Marc Ravalomanana Ende 2008 mit dem südkoreanischen Konzern Daewoo Logistics einen Handel eingefädelt, der dem Handelsunternehmen die Rechte an 1,3 Millionen Hektar Land - etwa die Hälfte der fruchtbaren Fläche der Insel - sichert.