In Erinnerung an Premier Tony Blair

Selbstverständlich hat Blair eine Reihe ganz normaler, dicker Lügen erzählt und ist ein Meister im gezielten Gebrauch von Halbwahrheiten. So hat er das britische Parlament wiederholt über die Zielsetzung seiner Irakpolitik belogen. Dass Saddam Hussein einen Krieg verhindern und unbehelligt an der Macht bleiben könne, wenn er sich nur dem Willen der UN beuge, hat Blair monatelang verkündet, obwohl er schon mit George W. Bush beschlossen hatte, Saddam in jedem Fall, gegebenenfalls mit militärischer Gewalt, zu stürzen. Er hat vertrauliche, von den britischen Sicherheitsdiensten vorgelegte Analysen, die zum Schluss kamen, Hussein stelle keine Gefährdung des Friedens im Nahen Osten dar, in ihr Gegenteil verkehrt und in dieser gefälschten Form veröffentlicht. Die französische Position in der Frage der sogenannten ‹zweiten Irak-Resolution› hat er zielbewusst falsch dargestellt, um die ‹Schuld› für das Nichtzustandekommen dieser Resolution den Franzosen anzulasten. Von solchen Beispielen liessen sich noch weitere anführen. Plumpe Lügen und systematisch irreführende Behauptungen unterminieren die demokratische Willensbildung und sind für den Lügner selbst nicht ungefährlich, da er ertappt werden kann. Verderblicher noch als die mit vollem Bewusstsein vorgetragene falsche Aussage ist aber die für Blair charakteristische Form der Unwahrheit: Die auf Wunschdenken, Selbsttäuschung und einem unendlichen Selbststilisierungsbedürfnis beruhende ‹Zurechtmachung› der Welt durch Unterdrückung unliebsamer und Erfindung falscher Tatsachen. Wer gewohnt ist, auf diese Weise vorzugehen, weiss am Ende selber nicht, woran er ist. Die kurzfristige argumentative Überlegenheit, die aus dem absoluten Vertrauen in die Richtigkeit des eigenen moralischen Urteils entsteht, paart sich mit der eventuellen Unfähigkeit, die Welt so zur Kenntnis zu nehmen, wie sie ist. Längerfristig können sich freilich die verachteten kleinen grauen Tatsachen auf eine ganz grausame Weise rächen. Der ‹Modernisierer› Blair hat durch die Institutionalisierung neoliberaler Dogmen und durch eingreifende Privatisierungen im Gesundheits-, Bildungs-, Transport- und Sicherheitssektor eifrig den Abbau der Sozialdemokratie betrieben.