Klon-Sekte, Engelbrigaden im Dienste des Herrn

Die auserwählten hingegen, die Engel mit rosa Federn, dürfen nur sexuellen Kontakt mit Ausserirdischen und ihren Propheten - sprich Raël alias Vorilhon - pflegen. Sie haben sich vor ihrem Eintritt in den exklusiven Kreis einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen, die sicherstellt, dass sie nicht Träger ansteckender sexueller Krankheiten sind.
Cherubine für den Guru

Vor drei Jahren schliesslich begann Raël mit dem Aufbau der vorläufig letzten Kategorie von ihm ergebenen Religionssklaven. Im vertraulichen "Engelsbrief" vom Juni 1999 befahl er die Schaffung von "Cherubinen", einer Gruppe sehr junger Mädchen. Diese "Blumen" dürften keinerlei sexuellen Kontakt pflegen und seien für die künftigen Generationen reserviert. Erster Cherub war die zehnjährige Tochter eines rosaroten Engels - mit anderen Worten eine Tochter Raëls.

Wie dem neuesten internen "Engelsbrief" vom November 2002 zu entnehmen ist, befindet sich unter den Schweizer Engeln auch Annick P., die Leiterin der Montessori-Schule in Vandoeuvre (Genf). Begeistert plaudert die Trägerin zweier weisser Federn im vertraulichen Dokument über ihre Schule und ihre Schüler. Inzwischen fragen sich besorgte Eltern, ob die Zugehörigkeit zur Sekte mit dem Amt einer Schulleiterin vereinbar sei. Scharf hat bereits die Assoziation Montessori Schweiz (AMS) reagiert. EIisabeth Coquoz, Vizepräsidentin der Section romande, weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Schule in Vandoeuvre nicht von der internationalen Assoziation Montessori anerkannt sei und zu Unrecht deren Bezeichnung führe. Für sie ist klar: "Eine solche Mitgliedschaft würden wir nicht tolerieren."

Die neue Zürcher Zeitung schreibt hierzu:

Ein Satz Eizellen für 5000 Dollar

Raël-Anhänger zahlen 3 Prozent ihres Einkommens an ihre Organisation; Mitglieder der internationalen Vereinigung überweisen zusätzliche 7 Prozent des Einkommens. Und freiwillig dürfen die Gläubigen ein weiteres Lohnprozent für Raëls Lebensunterhalt abliefern. Vorbildliche Mitglieder spenden also mehr als 10 Prozent ihrer Einkünfte an die Sekte.

Raël selbst verdient darüber hinaus an seinen Büchern, die in 22 Sprachen übersetzt sind. Für einen öffentlichen Auftritt verlangt der intergalaktische Prophet 100000 Dollar, ein Vortrag von Bischöfin Brigitte Boisselier kostet 50000 Dollar. Ein Satz Eizellen ist dagegen zum Spottpreis von 5000 Dollar zu haben, und der von Clonaid angebotene Zellfusions-Apparat "RMX 2010", der äusserlich einer Autobatterie gleicht, wird für 9200 Dollar abgegeben. Nach Schätzungen eines Sektenkenners hat die Gruppe bis 1999 gegen 12 Millionen Dollar für den Ausbau ihres Ufo-Weltzentrums in Kanada gesammelt. Das Jahresbudget der schweizerischen Organisation beträgt laut Raël-Schweiz-Chef Tschopp rund 500000 Franken: das meiste aufgebracht aus Mitgliedsbeiträgen, nur wenig aus Erbschaften.

"Infinifund" war eine weitere Geldquelle von Raël. Über das Internet wurden Investoren - mit einer Mindesteinlage von 1000 Dollar - gesucht, denen Gewinne in der Höhe von mindestens 12 Prozent versprochen wurden, während weitere 5 Prozent der Börsenerträge in die Raël-Kasse fliessen sollten. Im Jahr 2000 wurde der Fonds aufgelöst. (ura)

NZZ Neue Zürcher-Zeitung, 5. Januar 2003