Klon-Sekte, Engelbrigaden im Dienste des Herrn

Hinter dem PR-Wettlauf um das angeblich erste Klon-Baby stecken die Raëlianer - eine UFO-Sekte, die eine abstruse Theorie von der Wiederkehr grüner Männchen auf die Erde vertritt. Im Alltag pflegen ihre Führer allerdings sehr irdische Macht- und Sexphantasien.
Von Urs Rauber

"Von Kopf bis Fuss in figurbetonendes Schwarz gehüllt, strebte Baby-Klon-Doktor Brigitte Boisselier inmitten von 17 aufgereiten Eingeweihten zu ihrem Ritual. Die zehn Männer und sieben Frauen versammelten sich in einem abgelegenen Farmerhaus auf dem 2000 Morgen grossen Anwesen von Sir Richard Glyn bei Wimborne in Dorset. Bei flackerndem Kerzenlicht und anschwellendem Walgesang wurden die zur Raël-Bewegung bekehrten Gläubigen dazu überredet, ihre dunkelsten Phantasien zu erforschen."
Es war dieselbe Frau, die vorletzten Freitag an einer Pressekonferenz in Florida verkündete, ihrer Firma Clonaid sei es gelungen, am 26. Dezember das erste Klon-Baby, die 3,2 Kilo schwere Eva, auf die Welt zu bringen. Und gestern teilte Boisselier mit, am Vortag sei Klon-Baby Nr. 2 als Kind eines lesbischen Paares aus den Niederlanden in einem "nordeuropäischen Land" geboren worden.

Im Mai 1997 hatte ein Reporter des britischen Sonntagsblattes "News of the World" als Undercover-Journalist an einem von Boisselier geleiteten Initiationsritus auf dem Glyn-Anwesen teilgenommen. Nach der Meditation hätten sich die Novizen in eine Scheune zurückziehen müssen, um ihre intimen Phantasien aufzuarbeiten: "Eine Frau in den Zwanzigern wurde von einem von Brigittes Helfern herausgepickt, um als Erste vorzulesen. Gefangen zwischen Folgsamkeit gegenüber den Anweisungen und grösster Verlegenheit, gehorchte sie zögernd und errötete stark. "Ich stelle mir vor, beherrscht zu werden, nicht nur von einem Mann, sondern von dreien oder vieren gleichzeitig; einer nach dem andern nahm mich ... Ich war nackt und unterwürfig."" So ging das Ritual weiter, das für einige Gruppenmitglieder zu einer Qual wurde.

Doch nicht für alle, wie das Klatschblatt letzten Sonntag schrieb. Der Co-Leiter des "Einführungskurses" habe erklärt: "Es ist eine Schande, dass nicht mehr Frauen hier sind. Nur mit einer Handvoll kannst du keinen Spass haben." Und er habe von "Cross-dressing Balls in Switzerland" geschwärmt, an der die Männer als Frauen und die Frauen als Männer verkleidet aufträten. Der Name von Brigittes Assistent: Gerard Jeandupeux aus Genf.
Schweizer an die Spitze

Begonnen hatte der Raël-Spuk vor 29 Jahren. Der phantasiebegabte französische Autojournalist Claude Vorilhon will am 13. Dezember 1973 von einem Ausserirdischen - einem "Elohim" - per Raumschiff besucht worden sein. Dieser war "ungefähr einen Meter zwanzig gross, hatte langes schwarzes Haar, leicht mandelförmige Augen und eine olivfarbene Haut". Er habe ihm seine Botschaften an die Menschheit diktiert: Diese sei von den kleinen grünen Männchen vor 25000 Jahren auf die Erde verpflanzt worden.