Deutschland und die Bündnispflicht

Vor den deutschen Bundestagswahlen wurde von Politikern das lobenswerte Versprechen abgegeben, dass sich Deutschland keinesfalls an einem drohenden Irak-USA-Krieg beteiligen werde. Noch heute kann man auf der Website der Bundesregierung erfahren, dass man an dieser Position kategorisch festhalte.

Der Pferdefuss? Man gedenke gleichzeitig seiner "historisch bedingten Bündnispflicht nachzukommen". Was hier in Diplomatensprache beschönigend formuliert ist, bedeutet in Wahrheit nichts anderes, als dass Soldaten durchaus zu kriegerischen Zwecken ins Ausland befördert werden dürften. Der Einsatz deutscher Soldaten im irakischen Grenzland Türkei fiele nämlich auch in den Bereich der Bündnispflicht, ebenso wie die Gewährung von Überflugrechten über deutschem Luftraum sowie die Bereitstellung von militärischen Einrichtungen (Flugplätze etc.) an die USA.

Ist Deutschland zur Unterstützung des amerikanischen Hegemonialkrieges verpflichtet? Prof. Dr. Gregor Schirmer, Staats- und Völkerrechtsexperte, nennt in seiner Expertise "Deutschland ein Aufmarschgebiet der USA für den Krieg gegen den Irak" sechs Gründe, warum Deutschland keiner automatischen Bündnispflicht unterliegt (zusammengefasst zitiert):

1. Territorialhoheit
Seit dem 12.9.1990 verfügt Deutschland über seine "volle Souveränität über seine inneren und äusseren Angelegenheiten". Dies schliesst die volle Gebietshoheit mit ein, aus der die Lufthoheit abgeleitet wird. Demnach ist jede Benutzung des Luftraumes durch andere Staaten von der Zustimmung des Bodenstaates abhängig.

2. Gewaltverbot
Ein ohne ausdrückliche Genehmigung des UN-Sicherheitsrats geführter Militärschlag gegen den Irak wäre ein schwerwiegender Bruch des Völkerrechts. Dabei ist bereits die Androhung von Gewalt verboten. An einem völkerrechtswidrigen Militärschlag darf sich Deutschland weder indirekt noch direkt beteiligen, da dies selbst ein schwerwiegender Bruch des Völkerrechtes wäre. Bereits die Duldung von Aktivitäten zur Vorbereitung und Durchführung eines Militärschlages der USA vom Territorium Deutschlands aus wäre eine Aggressionshandlung Deutschlands.

3. Mandat des Sicherheitsrates
Die Resolution 1441 enthält keine Option eines Militärschlages im Falle von Verstössen seitens des Irak. Fraglich ist weiter, ob eine weitere Resolution des Sicherheitsrates zur Mandatierung militärischer Schläge gegen den Irak überhaupt mit den Bestimmungen der Völkerrechts-Charta vereinbar und nicht lediglich eine Bemäntelung einer Aggression der USA wäre.

4. NATO-Vertrag
Der NATO-Vertrag liefert keine Begründung dafür, dass Deutschland verpflichtet sein könnte, Bewegungsfreiheit für die USA-Streitkräfte auf deutschem Territorium und Überflugsrechte zur Vorbereitung und Durchführung von Militärschlägen gegen den Irak zu gewährleisten. Im übrigen soll der angekündigte Militärschlag nicht von der NATO, sondern von einer ad hoc geschaffenen Koalition nach den Regeln der USA durchgeführt werden.

In den zwei weiteren Punkten über das NATO-Truppenstatut und den bilateralen Verträgen zwischen den USA und Deutschland finden sich ebenfalls keine Argumente für eine zwingende Bündnispflicht. Im Gegenteil: Es stellt sich die Frage, ob Deutschland nicht berechtigt und sogar verpflichtet wäre, die Nutzung deutschen Territoriums durch die Streitkräfte der USA zu verbieten. Dies kann selbstverständlich auch für andere Staaten gelten, die listig für die imperialistischen Selbstzwecke der Amerikaner eingespannt werden.

Quelle: Prof. Dr. Schirmer, "Deutschland ein Aufmarschgebiet der USA für den Krieg gegen den Irak", http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Irak/schirmer.html