Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit

In unserer gegenwärtigen Neuzeit gehört die wahrliche Zuverlässigkeit zu den eher selten anzutreffenden Charakterpreziosen. Phantasievolle Ausreden, Ausflüchte und Zerstreutheit sind bei vielen Menschen gerne gesehene Gäste, und ihr Tanz folgt den verheissungsvollsten Pauken und Trompeten. Die Zuverlässigkeit hingegen muss sich weder brüsten noch beweisen, und Rechtfertigungen sind ihr fremd. Pflichterfüllend übt sie sich schweigend in Bescheidenheit. Die Entwicklung, Erhaltung und Festigung der persönlichen Verlässlichkeit ist ein lebenslanger Prozess, denn die Nachlässigkeit und die schnöde Schlamperei umwerben sie jeden Tag. Dem Standhaften und Ehrbaren ist die Zuverlässigkeit von grossem Wert, und das Wohl und die Psychepflege seiner Anvertrauten ist ihm eine liebevolle Pflicht. In der Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit liegen auch die Werte der Eigenpflicht und Selbstpflicht verborgen. So nämlich das aufmerksame und pflichtbewusste Lernen sowie die alltägliche Bemühung um eine ordentliche und akkurate Lebensführung. Das Interesse an der eigenen förderlichen Entwicklung und an der eigenen Existenz ist eine wichtige Grundlage zur gesunden Lebensbewältigung, ebenso das Interesse an der eigenen Kongruenz bzw. harmonischen Übereinstimmung in sich und mit der eigenen Persönlichkeit selbst. Den Zuverlässigen ist es eine grosse Freude, die eigene und hart erarbeitete Verbindlichkeit in Bescheidenheit zu würdigen und zu nutzen. Sie schätzen das sichere Gefühl einer Verbindlichkeit gegenüber eigenen Prinzipien und den hehren Lebenswerten. Das eigene Verhalten, persönliche Reaktionen und Handlungsweisen werden von diesen Menschen ständig überprüft und hinterfragt, denn die Fahrigkeit und Schluderei sind ihnen ein heftiger Schauder. Mensch der Erde, übe dich daher in der Zuverlässigkeit und in der Verlässlichkeit, so du den Menschen in deinem Vermächtnis nicht als schmerzender Dorn im Auge, sondern für ihre Psyche, das Bewusstsein und deren Gedanken- und Gefühlsleben als wohltuender Balsam in Erinnerung bleibst.

Hans-Georg Lanzendorfer