Freiheit und Zwang

Eine grundsätzliche Einstimmigkeit innerhalb einer tausendfältigen Gemeinschaft ist kaum möglich, selbst dann nicht, wenn die proklamierte Gesinnung durch eine markante Benennung der politischen Schirmherrschaft bzw. eines markanten Parteinamens in die Öffentlichkeit getragen wird. Daher müssen auch die Parteiparolen zu den jeweils aktuellen Themen in den eigenen Reihen durch Überzeugungsarbeit erst beworben und den Stimmberechtigten schmackhaft gemacht werden. Das Überzeugen ist jedoch immer eine Form von Zwang und latenter Freiheitsberaubung. Somit wird auch in einer sogenannt liberalen Demokratie die Meinungsfindung der Parteimitglieder von versteckten oder offenkundigen Zwängen beherrscht und beeinflusst, wodurch sich auch vermeintlich demokratische Strukturen als freiheitsbeschränkende Parteidiktaturen entlarven. Das suggestive System der Überzeugung und politischen Meinungsmissionierung widerspricht dadurch dem Prinzip der wahrlichen Freiheit und der freien Meinungsbildung. Pressemitteilungen über parteiinterne Uneinigkeiten und Streitigkeiten, innerpolitische Auseinandersetzungen, kompromissfordernde Koalitionsfindungen oder intrigante Regierungs-Querelen sind täglich in der Berichterstattung der Medien zu finden.
Menschliche Zwänge und Unfreiheit lassen sich in allen möglichen Lebenslagen finden, denn sie verbergen sich im Grossen und Kleinen. Sie sind Meister der Tarnung, und sie verstehen es, die Gunst jeder Gegebenheit zu nutzen. Geschickt werden die unscheinbarsten Zwänge ganz unauffällig den persönlichen Charaktereigenschaften einverleibt. Die gefährlichsten aller Freiheitsentzüge basieren auf einer Unzahl unbewusster Selbsteinschränkungen durch den Menschen selbst. Diese selbsterzeugten, bewusstseinsmässigen, psychischen und gefühlsmässigen Freiheitsberaubungen sind vielfach sehr diffus und unscheinbar. Ihre Nahrung finden sie in den einfachsten und unscheinbarsten Kleinigkeiten. Unauffällig schleichen sie sich auch in Lebensbereiche, in denen sich eine selbstauferlegte Beeinträchtigung der eigenen Freiheit nicht vermuten lässt.
Unzählige Alltagssituationen formen und bilden in jedem einzelnen Bruchteil einer Sekunde das menschliche Bewusstsein, die Psyche und das Gefühlsleben. Jede noch so kleinste Handlung ist in Wechselwirkung die Folge einer vorangegangenen gedanklichen Entscheidung. Somit bildet einerseits jeder Gedanke die Basis für neue Erkenntnisse und Erfahrungen usw. Andererseits wird der falsche oder unlogische Gedankengang auch zur Ursache von latenten und selbstgeschaffenen Einengungen und Begrenzungen. Kluge Bestimmungen und weise Beschlüsse basieren im besten Fall auf bewussten, klaren und logischen Überlegungen. Unkluge Entscheidungen basieren jedoch auf inneren und äusseren Zwängen oder suggestiven Einflüssen einer Freiheits- und Meinungsberaubung.