Staub vergeht – Geist besteht

Gedanken über das Dahinscheiden eines geliebten Menschen, über Leben und Tod und den Sinn des Lebens

Jurij Georg Walkiw, 15. Mai 1949–23. Juni 2010

Der Verlust
Als mein geliebter Ehemann, Jurij, im Juni vergangenen Jahres an Krebs starb, wurde mir damit die grösste Freude meines Lebens genommen, und mein vertrautes Leben an seiner Seite änderte sich schlagartig ein für allemal. Jetzt stehe ich da, völlig auf mich selbst zurückgeworfen und versuche, alles zu begreifen. Das vertraute Zweigespann, Jurij und Rebecca, sowie mein altes Leben existieren nicht mehr. Dennoch dreht sich die Erde unaufhaltsam weiter, denn alles unterliegt dem ewigen Wandel resp. der Evolution, die durch die kausalen, evolutionsbedingten schöpferisch-natürlichen Gesetze und Gebote hervorgegangen ist, einschliesslich Jurij und mir. Alles ändert sich und wechselt, alles wird und vergeht – und das Leben geht weiter. Also muss ich fortan meinen Lebensweg ohne meinen geliebten Partner beschreiten. Hin und wieder erkundigen sich mitfühlende Menschen nach meinem Befinden, nachdem Jurij in eine andere Daseinsebene ‹hinübergewechselt› ist. Sie möchten wissen, wie es mir gelingt, alles zu verarbeiten! Nun ja, ich habe gute Tage und weniger gute Tage. Wenn ich tagsüber konzentriert arbeite, geht es mir meistens gut. Das ist wohl der Grund, weshalb so viele Menschen sich in die Arbeit stürzen, nachdem ein geliebter oder nahestehender Mensch gestorben ist. Das mit der Freizeit ist allerdings etwas schwieriger, denn sie war die hauptsächliche Zeit, die ich gemeinsam mit Jurij verbrachte, wie aber auch die Zeit der gemeinsamen Erledigungen der täglichen Aufgaben, beim einfachen Arbeiten und vor allem bei den Mahlzeiten. Es waren aber auch die Momente vieler Gespräche über alltägliche Dinge, wie über allerlei Geisteslehre-Themen, die wir während unserer Spaziergänge im Englischen Garten pflegten, wie auch abends vor dem Schlafengehen oder bei unseren Ausflügen zu Fuss oder mit dem Fahrrad entlang der Isar, in der freien Natur und bei Freunden und Verwandten. Ich kann also hier in München kaum irgendwo hingehen, ohne dass Tausende Erinnerungen an Jurij in mir wachwerden, vor allem im Englischen Garten, wo wir unzählige kostbare Augenblicke unserer gemeinsamen Freizeit verbrachten. Gleich darauf wird mir bewusst, dass er für immer fort ist, und das Bewusstwerden dieser Tatsache schmerzt mich zutiefst, vor allem wenn ich bedenke, dass er mich nie wieder bei einem Ausflug begleiten, nie wieder mit einem herzlichen Halli-Hallo durch die Wohnungstür hereinplatzen und mich nie wieder mit seinen funkelnden Augen und seinem schelmischen Lächeln anstrahlen wird. Danach breitet sich in mir manchmal eine Leere aus, und ich muss bewusst darum kämpfen, die Lebensfreude wiederzuerlangen.