Der Mensch und das Schicksal gestern und heute

Das Gros des heutigen Menschen aber ist dazu nicht mehr fähig, denn trifft ihn etwas, das unter die Kategorie Schicksal fällt, dann versagt er völlig und verfällt in einen Schock, aus dessen Starre er sich kaum oder nicht mehr zu befreien vermag. Was der Mensch von gestern selbst bewältigte, wenn er unerwartet von einem Schicksalsschlag getroffen wurde, das vermag der Mensch von heute nicht mehr zu tun. Muss er sich z. B. mit dem Tod auseinandersetzen, dann kneift er feige und verschliesst alle seine Sinne dagegen, folglich er es auch nicht verkraften kann, wenn ein lieber oder sonst nahestehender Mensch plötzlich oder erwartet über lange Zeit hinweg aus dem Leben scheidet. Und wird der Mensch von heute von einem Unglück getroffen, sei es in eigener oder in bezug auf eine nahestehende Person, dann verfällt er in eine Schockstarre und in grenzenloses Selbstmitleid. Also tritt dann sofort die Tatsache dessen in Erscheinung, dass anderweitig Hilfe gesucht wird, anstatt Verstand und Vernunft walten zu lassen und selbst alles Notwendige zu tun, um das entstandene Leid und den Schmerz aus eigener Kraft zu bewältigen, so wie es dem Menschen von gestern eigen war. Doch der Mensch von heute ist derart verweichlicht und lebensunfähig geworden, dass er seine Gedanken und Gefühle nicht mehr bewusst durch Verstand und Vernunft unter Kontrolle zu bringen vermag, folglich er in Not und Leid oder im Unglück und bei einem sonstig harten Schicksal sich nicht mehr selbst durch Eigeninitiative helfen kann. Bei jeder kleinen Not, bei jedem kleinen Elend und bei jedem kleinen Leid, und so bei jedem kleinen und grossen Schicksalsschlag muss der Mensch von heute Hilfe in Anspruch nehmen, so also überall dort, wo der Mensch von gestern sich selbst geholfen hat und sich geschämt hätte, anderweitig Hilfe zu suchen. Aber der Mensch von heute schämt sich nicht, bei jedem kleinen Schicksälchen oder bei einem wirklich harten Schicksalsschlag fremde Hilfe zu suchen und anzunehmen, weil er selbst lebensunfähig geworden ist und sein Schicksal nicht selbst zu bewältigen vermag, weil er durch und durch verweichlicht ist.

Tatsache ist, dass die ungeheure Verweichlichung des Menschen von heute das Gros der Gesellschaft befallen hat, folgedem unzählige Schicksalsgeschlagene nur noch dadurch überleben können, weil sie durch die Hilfe der Mitmenschen aufrechterhalten werden.