Langeweile

Durch die selbsterschaffene und gedankliche Blockierung des eigenen Bewusstseins, des Gedanken- und Gefühlslebens und der Demolierung der Psyche schwinden im Menschen auch jegliche Motivation sowie die spärlichsten Reste und Bemühungen zur körperlichen und mentalen Bewegung oder zu einer sinnvollen Aktivität. Einem giftigen Schimmelpilz gleich, breiten sich im passiven und interesselosen Menschen unaufhaltsam die üblen Folgen der Denkfaulheit und Orientierungslosigkeit aus. Die aktive Inaktivität, Schwerfälligkeit und Antriebslosigkeit werden dem phlegmatischen Gemütsmenschen zum Lebensmittelpunkt und in modernen Begriffen wie ‹Chillen› kultiviert. Der Begriff ‹Chillen› hat sich überwiegend in der Jugendsprache für Tätigkeiten eingebürgert, die mit einem Entspannen, mit Passivität und mit dem Genuss von Drogen, Tabakwaren, Wasserpfeifen oder Alkoholika

verbunden sind. Die Langeweile und Orientierungslosigkeit sind eine nicht ungefährliche Erscheinung der gegenwärtigen Zeit und werden von zahlreichen Betroffenen mit dem obengenannten ‹Chillen› (to chill (engl.) = abkühlen, abschrecken, frösteln, ernüchtern; deshalb heisst es deutsch ‹abchillen›, was so viel bedeutet wie ‹abhängen›) ‹Chillaxen› (Kunstwort aus engl. ‹to chill› und ‹to relax› = abspannen, ausruhen, entspannen, erholen) oder einem gemeinsamen ‹Abhängen› zelebriert.

Die Langeweile und ihre Folgen finden ihren Ursprung bereits in einer frühkindlichen Fehlentwicklung und Falscherziehung. Äussere Reize und sogenannte basale Stimulationen (basal = zur Basis gehörend), wie Berührungen, Spiele und das Sprechen, sind für die Entwicklung des Kindes von grosser Wichtigkeit. Vielfach wird das Kind jedoch allein zum Zwecke seiner Ruhigstellung an äussere Unterhaltungsformen und Sinneseindrücke und Reize gewöhnt oder diesbezüglich belohnt. Zahlreichen überforderten Eltern dienen die Massenmedien und deren Unterhaltungsmöglichkeiten, wie TV-Sendungen oder vielfältige Elektronik- und Computerspiele, als Beruhigungsmittel oder Erziehungshilfen. Mehrere Computer, TV-Apparate sowie Spielkonsolen aller Art sind in den heutigen Kinderzimmern keine Seltenheit mehr. Musikabspielgeräte mit Kopfhörer, Handspielgeräte sowie Mobiltelephone fördern durchaus ein gewisses technisches Verständnis, bei labilen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen jedoch auch eine Isolierung und den Rückzug in die eigenen fiktiven Welten. Das eigene Nachdenken, eigene Überlegungen und eine evolutiv wertvolle Gedankenarbeit sowie die eigene Kreativität und die eigenen gestalterischen Phantasien der Kinder werden jedoch unter Umständen durch eine äussere Reizüberflutung unterdrückt, kaschiert und ersetzt. Die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität wird dem heranwachsenden Menschen dadurch weitgehend beeinträchtigt. Hat der Mensch jedoch niemals seine eigenen kreativen, gestalterischen und schaffenden Kräfte und Fähigkeiten kennengelernt und gefördert, wird er ohne eine äussere Reizbefriedigung in eine grosse Leere und Unerfülltheit fallen – die Langeweile breitet sich aus.