Der Mensch der Erde hält nichts...

Menschenleben billig im Kurs
Wer in den letzten paar Wochen unsere Tageszeitungen durchblätterte, machte die erschreckende Feststellung, dass in unserem kleinen Lande, das weder über eigentliche Grossstädte verfügt, noch unter den direkten Nachwirkungen eines Krieges zu leiden hat, sich gleichzeitig mehrere schwere Kriminalfälle ereigneten. Mord, Raubmord und Totschlag, Überfall und Raub wechselten in kurzem Zeitraum miteinander ab und schienen den Charakter alltäglicher Ereignisse anzunehmen. Der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, das heisst die Wiederholung sogar besonders brutaler Taten und Vorgänge stumpft die Gefühle ab und wird höchstens mit einem Achselzucken quittiert.
Es scheint uns indessen unumgänglich, den Gründen der wachsenden Kriminalität etwas nachzuforschen, wobei im übrigen die Tatsache nicht verschwiegen sei, dass sich ausserordentlich viele Ausländer die Schweiz als kriminelles Tätigkeitsfeld aussuchen. Was aber bei näherem Zusehen am meisten auffallen sollte, ist die Häufung jener Verbrechen, die sich gleichzeitig gegen Leib und Leben sowie gegen das Vermögen richten. Mit anderen Worten, es ist weniger die menschliche Leidenschaft, die den Menschen zum Rechtsbrecher höchster Rechtsgüter werden lässt als vielmehr die nackte Gewinnsucht, die Geldgier, der Materialismus. Das ungestüme Streben nach Gewinn ohne Mühsal und Arbeit ist es, was den Verbrecher dazu führt, das menschliche Leben gering zu achten und es zu vernichten, wenn sich ein Widersacher in den Weg stellt.
Wir haben das Empfinden, dass jene tiefgründige Ehrfurcht vor dem Leben, welche von einem so klardenkenden Philosophen und Theologen, wie Albert Schweitzer, als der Urgrund echter Kultur bezeichnet worden ist, immer mehr im Schwinden begriffen ist. An die Stelle dieser Ehrfurcht tritt jene ruchlose Ichbezogenheit, jene geistige Orientierungslosigkeit und Autoritätskrise, welche die Beziehungen von Mensch zu Mensch vergiften und jede echte Gemeinschaft untergraben.