Im Grunde ist alles schlimmer geworden

Der Biologieprofessor sieht keine Anzeichen für eine Entwarnung

FOCUS: Herr Ehrlich, 1968 erschien Ihr Buch -Die Bevölkerungsbombe-, in dem Sie vor der drohenden Überbevölkerung des Planeten warnten. Heute heißt es, die Bombe sei entschärft. Teilen Sie diese Meinung?
Ehrlich: Nein, im Gegenteil. Im Grunde ist in den letzten 25 Jahren alles schlimmer geworden. Damals wuchs die Weltbevölkerung um 70 Millionen Menschen jährlich, heute um 95 Millionen. Entsprechend hat sich der ökologische Zustand der Erde verschlechtert.


FOCUS:
Sie hatten 1968 katastrophale Hungersnöte vorausgesagt. Die sind ausgeblieben.

Ehrlich:
Die Zahl der Menschen, die an Hunger sterben, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum geändert. In den letzten 20 Jahren sind 200 Millionen Menschen verhungert. Es hat lediglich weniger massive Hungersnöte gegeben.

FOCUS:
Weil die Nahrungsmittelproduktion erheblich schneller gewachsen ist als die Weltbevölkerung?

Ehrlich: Die -Grüne Revolution- war erfolgreicher, als manche von uns erwartet hatten. Damit ist es jetzt aber vorbei. Bei Reis lässt sich keine Ertragssteigerung mehr erreichen.

FOCUS:
Weltweit wächst die Bevölkerung, aber in vielen Ländern ist die Geburtenrate zurückgegangen.

Ehrlich
: Die chinesische Methode funktioniert, ist aber für die meisten von uns zu repressiv. In vielen armen Ländern geht die Geburtenrate zurück, wenn der Status der Frauen verbessert wird.

FOCUS: Ist Überbevölkerung ein Problem der Dritten Welt?

Ehrlich:
Nein, die USA sind das am meisten überbevölkerte Land der Erde. Überbevölkert ist ein Land, wenn es seine natürliche Lebensgrundlage zerstört. Die USA haben eine gigantische Bevölkerungszahl mit einem enormen Appetit auf Rohstoffe. Kein anderes Land betreibt einen solchen Raubbau mit dem Planeten.