Leserbrief zum Sonder-Bulletin-Nr. 14, Mai /3 2004

Des Menschen grösster Feind

… ist er praktisch selbst. Dass dies heutzutage eine unanfechtbare Tatsache ist, wird allgemein nicht mehr bestritten. Doch offensichtlich führt diese Erkenntnis des Menschen im täglichen Verhalten und Umgang mit seinen Mitmenschen nur sehr selten zu Veränderungen in seinen individuellen Verhaltensmustern. Vielmehr verpufft diese Erkenntnis zu nichts, anstatt sich tagtäglich ins Bewusstsein zu rufen, dass man im Umgang und im Kontakt mit seinen Mitmenschen jede Sekunde seines Lebens mit dieser Tatsache konfrontiert wird.

Aber wie läuft es im allgemeinen und im besonderen wahrheitlich ab? In seinen Gewohnheitsstrukturen, die sich aus Veranlagung, Erziehung, Umgang, Umfeld und eigenen Einsichten zum individuellen Charakter gebildet haben, geht er grundsätzlich dazu über, subjektiv negativ empfundene Situationen und Ereignisse auf seine Mitmenschen zu projizieren. Irgend jemand muss letztendlich die Schuld an dieser Situation tragen. Und das sind immer die anderen, nur er selbst nicht. Das ist schlicht und ergreifend Selbstbetrug und ein Schaden derer, die das Individuum fast immer in solchen Situationen, die der Mensch als negativ, böse oder schlecht empfindet, zum Sündenbock machen.

Wie kommt der Mensch zu solch einer Fehlbeurteilung und zu so einem Fehlverhalten und macht sich dadurch selbst zum grössten Feind? Es ist schlichtweg der Unverstand, der in Unwissenheit, Ärger, Hass, Stolz, Eifersucht, Misstrauen, Zweifel usw. gipfelt. Der Unverstand ist die Wurzel dieser bewusstseinsmässigen Fehlentwicklung. Der Unverstand hat seine eigendynamischen Wegbereiter und Helfershelfer, die da sind: Nichtwollen, Nicht-Einsehen-Wollen, Nicht-Begreifen-Wollen, Nicht-Anderssein-Wollen, Nicht- Hinzulernen-Wollen, Nicht-Aufgeben-Wollen, Nicht-Erkennen-Wollen von althergebrachtem Gedankengut usw. usf.

Jeder einzelne dieser Helfershelfer ist allein schon Garant für eine bewusstseinsmässige Fehlentwicklung und Stagnation. Jede Form von Stagnation garantiert die Verhinderung persönlicher Weiterentwicklung auf allen Gebieten seines Seins. Das Festhalten am alten ist zu einem beherrschenden Instrument seiner Existenz geworden. Dieses Verhaltensmuster arbeitet latent, was heisst, das Individuum ist sich dessen nicht einmal bewusst. Aus der Kommode dieses Wahnsinns zieht es all die Register, die ihm bekannt sind und als geeignet erscheinen, die Situation, in der es sich jetzt befindet, zu beherrschen und zu seinem Wohlergehen ausgehen zu lassen. Hin und wieder muss es damit erfolgreich gewesen sein, sonst wäre es kein Wiederholungstäter. Aber es erkennt das Resultat nicht als faul, sondern als Erfolg an. Auch sieht es unmittelbar um sich herum und mittelbar weltweit ähnliche Verhaltensmuster, die von Projektionen des Hasses, des Neides, der Eifersucht, des Stolzes usw. begleitet sind, bei anderen ebenfalls als Erfolge an. Die Medien von heute mit ihren Negativ-Schlagzeilen sind hierbei seine Lehranstalt, die ihm tagtäglich ‹seine Wahrheit› bezeugen. Der Mensch sieht wie die Mächtigen, Idole usw. usf. agieren und adaptiert deren Muster. Nach dem Motto ‹Masse ist Klasse› und ‹Ausnahmen hiervon sind ketzerisch› und, nach den allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen von Moral und Ethik, verwerflich und dumm, kommt das Individuum von heute nicht einmal ansatzweise auf den Gedanken, sich selbst zu überprüfen (Innenschau) und darüber nachzudenken, ob die sog. ketzerische Ausnahme nicht Verhaltensmuster aufweist, die sich naturgemäss vom Massenbewusstsein abheben, die auch für ihn erstrebenswert sein könnten. Täte er das, wären die hieraus entstehenden Einsichten und damit verbundenen Erkenntnisse die grössten Helfershelfer zur Beseitigung des Unverstandes.