"Geistheilung", Pseudoberatung und Scharlatanerie

Es ist wichtig zu erfahren, wie die Sterne stehen, was die Zahlen verkünden, welche "unüberwindbaren" Schicksalsschläge zu erwarten sind, was die verstorbene Grossmutter aus dem Jenseits zu berichten weiss, welche Karten gerade Glück verheissen oder was die Götter und Göttinnen im Schilde führen. Es ist ein "Muss", die neuesten Prophezeiungen und Propheten zu kennen, die den nächsten Weltuntergang verkünden. Die Zeilen des Nostradamus, Edgar Cayce oder "Die Geheimlehre" von Helena-Petrowna Blavatski nicht zu kennen, gilt schon fast als reiner "Frevel".

Eine ganz aussergewöhnliche Konfrontation und Begegnung oder ein Zusammentreffen besonderer Art scheint für viele Esoterikerinnen und Esoteriker, Okkultisten, Jünger, Anhängerinnen und Pseudoapostel jedoch von grösster Bedrohung und Gefahr zu sein: So nämlich die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit der eigenen nackten und unverformten Persönlichkeit, dem ureigenen und unverfälschten Wesen.

Zuweilen erweckt es den Eindruck, dass sich viele Menschen immer weiter von sich selbst entfernen, je intensiver sie sich auf die Suche nach ihrem eigenen "ICH" begeben. Die eigene Persönlichkeit, die Selbstbeobachtung, die Achtsamkeit und Selbsterkenntnis sowie die Meditation und das Hören in sich selbst werden vielfach äusseren Idealen, fremden Ideologien und Gedanken, illusionären Ideen, Prophezeiungen, Ratschlägen, Erleuchtungen und Schein-Eingebungen geopfert. Der Alltag als Lehrer, die Natur als Lehrerin und die eigenen inneren Werte verlieren an Bedeutung. Sie sind für viele Menschen schlicht und einfach zu unspektakulär und zu langweilig geworden.

Diese Entwicklung treibt zuweilen im Satanismus und Okkultismus sehr gefährliche und bizarre Blüten. Mord, Totschlag und rituelle Abschlachtungen von Menschen im Namen Luzifers mehren sich, wie die Verurteilung des deutschen Satanistenpaars Daniel und Manuela Ruda im Januar 2002 in Bochum zeigt. Die Rudas hatten im Sommer 2001 einen 33jährigen Bekannten zu sich nach Hause eingeladen und ritualmässig mit 66 Machetenhieben und Messerstichen getötet (Tages-Anzeiger vom Freitag, 1. Februar 2002).

Doch längst nicht alle Menschen, die mit den "Fachkräften" vermeintlich "spiritueller" Sinnfindung in Berührung kommen, können als "Esoterikerinnen" oder "Esoteriker" bezeichnet werden, denn es gibt auch einfache, bescheidene, vernünftig denkende und wohlüberlegende Menschen. Sehr viele von ihnen haben die althergebrachten Kultreligionen und deren einengende Dogmen hinter sich gelassen und sind nun auf der Suche nach dem wahrlichen Sinn des Lebens. Sie erkennen und beklagen den Verlust von Harmonie, Frieden, Ehrfurcht, Nächstenliebe und des wahren Menschseins. Wahrlich sind diese hehren Besitztümer auf unserer Welt nur noch selten zu finden. Suchend und forschend sehnen sich daher viele Menschen nach Geborgenheit und Liebe sowie nach ihrer "geistigen" Heimat; eine Heimat, die als Ahnung tief in ihnen verborgen liegt und auf die Entdeckung wartet. Sie stellen Fragen, suchen neue Wege und "hoffen" auf Antworten und neue Horizonte.