Den Schock überwinden

Das überall zutage gelegte Mitleid mit den armen Opfern und die dadurch ausgelöste Traurigkeit zieht die Menschen nur noch weiter in ihr Elend hinab und verleitet sie dazu, nach Rache und Vergeltung zu schreien, weil sie irrtümlich glauben, dass sie dadurch ihr elendes und hilfloses Gefühl beheben könnten und sie sich wieder besser fühlen würden. Durch Rache und Vergeltung werden aber weder die bösen Geschehnisse behoben, die ja ohnehin nicht mehr rückgängig gemacht werden können, noch werden sie dadurch verarbeitet, sondern alles führt nur noch tiefer und in unübersichtliche und gefährliche Verstrickungen hinein. Ausserdem aber paralysiert diese Traurigkeit das Denken der Menschen, wodurch sie ihr Urteilsvermögen einbüssen und unvernünftig und unangemessen zu handeln beginnen. Über den Unwert der Traurigkeit steht ein sehr schönes Wort im Buch «Ein Quentchen Wissen, Sinn und Weisheit», das mir im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 11. September von grösstem Wert, als äusserst beachtens und erstrebenswert erscheint:

«Die Traurigkeit ist eine Psychebewegung, gegen die der Mensch weitestgehend gefeit sein und die er weder lieben noch achten sollte, auch wenn das Gros der Menschheit diese wohlwollend und im Ausdruck der Gefühle als vorrangig erachtet. Damit werden jedoch nur das Leben selbst sowie das Gewissen, das Wissen, das Bewusstsein, die Tugenden und die Liebe des Menschen künstlich geschmückt, um der reellen Verarbeitung der Tatsachen und der gegebenen Momente des Verarbeitenmüssens gewisser Vorkommnisse und Geschehen auszuweichen und diesen nicht in angemessenem und wahrheitserkennendem Rahmen entgegentreten zu müssen. So degradiert sich die Traurigkeit selbst zu einer Erbärmlichkeit, die jeder Einsichtigkeit entgegenwirkt und daher ein Erkennen und Erfassen der wirklichen Tatsachen verunmöglicht. Dadurch entsteht ein Zustand des Ausgeliefertseins an eine leiderzeugende Situation oder Sache usw., die es grundlegend zu beherrschen und damit auch zu verstehen gilt, die jedoch infolge des falschen Denkens, und damit auch der falschen Gefühlserzeugung, zu einem Psychedebakel führt, das in umfassen der Traurigkeit endet und alle Vernunft zum Nichtsein und in die Wirrnis führt.»