Gäbe es ohne Basel keinen Staat Israel?

und 9 weitere Fragen zum Herzl-Jubiläum

VON MARCEL H. KEISER

Am 1. ZionistenKongress vor 100 Jahren in Basel wurde die Vision eines Judenstaates verkündet. Heute wird der eigentliche JubiläumsKongress eröffnet. BLICK beantwortet zehn Fragen zum Thema Vision und Wirklichkeit.

1 Wie oft trafen sich die Zionisten in Basel?

Von den insgesamt 22 Kongressen fanden 10 am Rheinknie statt. Auch der letzte im Dezember 1946. Diesen leitete Chaim Weizman, der erste Präsident Israels, ein Onkel des heutigen Staatsoberhauptes. 1935 (Luzern), 1937 (Zürich) und 1939 (Genf) galt Basel wegen des benachbarten Hitler-Deutschlands als zu heisser Boden: Gefahr von Entführungen und Bespitzelung durch die Nazis.

2 Gäbe es ohne Basel keinen Staat Israel?

«Israel entstand in Basel»; der Titel eines neuen Buches ist überspitzt. Die Stadt empfing die Zionisten gastfreundlich, leistete intellektuell selber aber keinen Beitrag. Dank der einmaligen Kulisse war sie jedoch eine wichtige Geburtshelferin, bleibt ihr Name untrennbar mit dem Zionismus verbunden.

3 Glaubte Herzl schon immer an seine Vision?

Der phantasievolle Journalist und Schriftsteller stammte aus einer grossbürgerlichen Familie, die sich dem Wiener Leben angepasst hatte. Zunächst lehnte er das Judentum eher ab. Erst später kam er zur Überzeugung, die Juden würden ohne eigene Heimstatt nie ihre Ruhe finden.

4 Wem wollte er helfen?

Herzl dachte bei seinem Projekt nicht in erster Linie an die weitgehend assimilierten, meist in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Juden Westeuropas. Retten wollte er viel mehr Millionen in Osteuropa, die in Ghettos vegetierten, immer wieder von Pogromen (Russland, Rumänien) heimgesucht wurden. Eine schreckliche Ironie der Geschichte wollte es dann aber, dass ausgerechnet die «Kulturnation Deutschland» die Juden in die Gaskammern schickte.

5 Wo liegt Herzl begraben?

Erst 44jährig starb Herzl 1904 in Wien. David Ben Gurion erklärte Israel am 14. Mai 1948 für unabhängig. Herzls Traum von einem jüdischen Staat ging damit in Erfüllung. Ein Jahr später wurden seine Gebeine auf einen Hügel bei Jerusalem umgebettet.

6 Ist es symbolisch, dass Herzl auf einem Militärfriedhof die letzte Ruhe fand?

Der Zionistenführer glaubte, ein Judenstaat werde sich gewaltfrei behaupten. Allenfalls gegen Ende des 20. Jahrhunderts wollte er die allgemeine Wehrpflicht einführen. Entstanden wäre eine vor allem für Paraden geeignete Armee: «Unsere Kürassiere werden gelbe Hosen, weissen Waffenrock tragen.»

7 Irrte er noch in anderen entscheidenden Punkten?

Herzl sah nicht voraus, dass die arabische Bevölkerung sich der jüdischen Einwanderung nach Palästina widersetzen würde. Einen fiktiven Araber lässt er sagen: «Betrachten Sie den als einen Räuber, der Ihnen nichts nimmt, sondern etwas bringt?» Warner wurden auch dann noch nicht ernst genommen, als es zu den ersten blutigen Konflikten kam.

8 «Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land» - war diese Kurzformel naiv?

Die jüdische Einwanderung förderte die nationalen Gefühle der Araber. Es wurde also die Grundlage geschaffen für einen zweiten Staat: Palästina.