Kampf gegen Kindesmisshandlung

Will die Familie dem heranwachsenden Menschen eine hygienisch schadhafte Psyche vermeiden, dann muss mit unendlicher Geduld die Pflicht des Belehrens durch die Erziehung immer wieder geübt werden. Dem heranwachsenden Menschen muss schon von jüngstem Alter an vollste Aufmerksamkeit geschenkt und alles in immerwährender Geduld abermals erzieherisch gelehrt werden. Erziehung aber bedeutet nicht Gewaltanwendung, sondern Liebe in jeder Beziehung.

Die Erziehung des Menschen ist nicht leicht, sowohl nicht die Erziehung eines Kindes als auch nicht die Selbsterziehung oder die Erziehung eines Erwachsenen. Jeder Mensch ist eingeordnet in natürliche Zeitperioden, so also auch das Kind. Diese Zeitperioden bringen spezielle Besonderheiten mit sich, durch die sich der Mensch auf eine ganz bestimmte Art und Weise verhält. Wird der heranwachsende Mensch so zum Beispiel ca. 3 1/2 Jahre alt, dann bedeutet das, dass er sich in eine recht heikle Zeitperiode eingelebt hat, in die Periode der Trotzigkeit. Je nach Mensch kann sich das Trotzalter jedoch bereits früher einstellen, nämlich bereits mit 3 oder 2 1/2 Jahren, wobei jedoch auch wieder die angediehene Erziehung diesbezüglich eine massgebende Rolle spielt. Die Zeitperiode des Trotzalters offenbart sich dadurch, dass ein bis anhin lernwilliges und handlungsrichtiges Kind damit beginnt, sich der Lernwilligkeit und der Handlungsrichtigkeit zu widersetzen, wodurch erzieherische Schwierigkeiten in Erscheinung treten. Es verweigert plötzlich die Gehorsamkeit, begehrt auf, wenn ihm etwas gesagt wird, und quengelt aus für den Erwachsenen unerklärlichen Gründen. Dies verführt unwissende und ungeduldige Eltern und Familienangehörige oft dazu, am kleinen, querulierenden Lümmel alle möglichen und unmöglichen pädagogischen Tricks auszuprobieren – jedoch ohne Erfolg. Viele verfallen dann dem Zorn oder einfach der irren Ansicht, dass sie mit Gewalt und unter allen Umständen den widerspenstigen Willen des Trotzkopfes brechen müssten. Natürlich, die Trotzerei der kleinen Lümmel vermag Erwachsene oft auf die Palme zu treiben, doch eben nur dann, wenn die Erwachsenen selbst hygienische Mängel in ihrer Psyche aufweisen, die diesbezüglich in der Regel aus ihrer eigenen Kindheit entstammen.

Wird das Trotzalter eines Kindes erreicht, dann nützen weder neue pädagogische Tricks und Rezepte noch Gewalt oder die Befolgung von ‹gut gemeinten› oder drastischen Massnahmen, die Dritte zum besten geben. Der Trotz und die Widerspenstigkeit eines Kindes im Trotzalter sind vollauf natürlich. Es ist dies eine Verhaltensweise, die jedes Kind zu jenem Zeitpunkt beginnt, wenn es die Fähigkeit verspürt, selbst einen eigenen Willen durchsetzen zu können und einen eigenen Willen zu haben. Naturmässig erzeugt diese Fähigkeit im Kinde das Bedürfnis, diesen in die Tat umzusetzen, so wie es auch alle andern tun. Aus diesem Grunde übt es diese Fähigkeit – und trotzt widerspenstig.

Das Trotzalter und die damit verbundene Widerspenstigkeit stellen also ein natürliches Entwicklungsstadium und einen natürlichen Entwicklungsvorgang dar, die weder mit Gewalt noch mit ‹schlauen pädagogischen Tricks und Rezepten› und auch nicht mit angeratenen ‹gutgemeinten› Massnahmen Dritter beeinträchtigt oder unterdrückt werden dürfen.

Das dem Erwachsenen oft unerklärliche Verhalten eines Kindes im Trotzalter hat also eine verständliche und natürliche Grundlage. Auch wenn das Kind in der Regel mit seinem Verhalten noch nichts Bestimmtes will in Form von etwas Zielgerichtetem, so will es doch das eine: Nämlich das Bedürfnis üben zu wollen, seine Fähigkeit des Selbst-Wollens durchzusetzen. Dies sollte jeden erziehenden Menschen warnen, pädagogischen Übereifer, Gewalt oder ‹angeratene Massnahmen› walten zu lassen. Das einzig Richtige zu tun ist dies:

Man beschränke sich selbst in seinen eigenen Wünschen dem Kinde gegenüber und lasse dieses seine Fähigkeit üben. Dabei muss dem Kinde jedoch helfend beigestanden und der Sinn sowie die Verantwortlichkeit des Selbst-Willens erklärt werden. Und interessanterweise, auch wenn das Kind noch so jung ist, beginnt es zu verstehen und danach zu handeln. Die Bedingung dabei ist jedoch die, dass das Kind in Liebe und mit Liebe behandelt und belehrt wird, worauf es dann auch verstehend reagiert.

Ein Machtwort in Form einer lautstarken Schelte kann bei krasser und ausartender Trotzigkeit, die den normalen Rahmen sprengt, sehr wohl angebracht sein und Wunder wirken. Dies bedingt jedoch, dass die gesamte vorangegangene Erziehung in natürlichem und liebevollem Mass und ohne Gebrüll stattgefunden hat.