Sapere Aude - Wage es, Vernunft zu üben

Sei daher stets der tatsächlichen Wahrheit zugetan und lasse sie in dir wirken; breite sie aber auch aus unter deinen Nächsten und unter den Mitmenschen überhaupt, doch tue dies stets mit Vernunft, ruhig und mit klaren Worten. Mach es jedoch niemals so, dass du dich selbst gerne reden hörst und dadurch andere nicht zu Wort kommen lässt. Auch beschränke stets deine Rede auf das Notwendige und schweife nicht aus, denn lange und ausschweifende Reden haben nur einen kurzen Sinn, bringen die Zuhörer zum Gähnen und läsen dadurch grosses Missfallen, Unverständnis und Unaufmerksamkeit aus. Bedenke, wer lange und ausschweifend redet, hat immer schlechte und missgelaunte Zuhörer. Es gilt der langen Rede kurzer Sinn, jedoch der kurzen Rede grosser Sinn.
Denke auch stets daran, den anderen aufmerksam zuzuhören, denn wie du selbst, legen sie Wert darauf, verstanden zu werden. Und sei dir immer bewusst, dass auch Kinder und Narren sowie Törichte und Unwissende etwas zu sagen haben, ganz gleich, welcher Art Rede auch immer ihr Eigen ist. Sie alle haben wie du und wie alle anderen Menschen ihre Geschichte, ihr Leben und ihre Sorgen und Nöte sowie Freudiges und Trauriges, worüber sie gerne reden und berichten wollen. Also muss ihnen die Möglichkeit dazu gegeben werden, denn sie haben das gleiche Recht wie du, weshalb du dich ihnen in dieser Beziehung nicht zuwiderstellen darfst. Sei im weiteren auch nicht laut zu deinen Mitmenschen, wenn dies aus irgendwelchen wichtigen Gründen nicht erforderlich ist. Sei auch nicht aggressiv und nicht unfreundlich, denn jeder Mensch wünscht, dass er in freundlicher und friedlicher Weise behandelt wird, und zwar selbst der böseste Übeltäter. Meide deinerseits aber laute und aggressive Menschen, denn aus ihnen gehen nur Übel und Verdruss hervor, wenn du dich mit ihnen einlässt. Nichtsdestoweniger jedoch ist es deine Pflicht, sie als Menschen zu achten und ihnen alle jene Rechte zuzugestehen, die des Rechtens sind. Als Menschen sollst und darfst du sie nicht missachten, auch wenn es für dich unmöglich ist, aufrechte zwischenmenschliche Beziehungen mit ihnen zu pflegen. Tue aber in jeder Beziehung zu ihnen stets das dir möglich Beste und lass niemals Verachtung über sie fallen. Auch wenn du laute und aggressive Menschen meiden und den erforderlichen Abstand und Umgang zu ihnen halten sollst, so sei doch voller Anstand und friedlich und ehrlich zu ihnen und sprich ungehässig und freundlich, wenn sie das Wort an dich richten oder wenn ein Wort von deiner Seite notwendig wird.

Das besagt auch, dass du niemals wider deinen Nächsten Hass in dir fühlen sollst, denn Hass schadet in jeder Weise zuerst immer dir selbst - erst in zweiter Linie eventuell deinem Nächsten. Vergleiche deinen Nächsten, deinen Mitmenschen immer mit dir selbst und hege niemals Stolz oder Verbitterung ihm gegenüber. Sei stets offen und verbindlich und immer bereit, deinem Nächsten verzeihend entgegenzukommen. Fühle dich auch niemals erhaben über deine Mitmenschen und denke niemals, dass dein Wert grösser sei als der ihre, denn wahrheitlich sind alle Menschen gleich viel wert, ganz gleich wie sie auch immer geartet sein mögen, denn der Mensch als solcher bleibt immer ein Mensch, egal was er an Gutem oder Bösem auch immer tut. Verurteile daher niemals deinen Nächsten, deinen Mitmenschen, wenn er Dinge tut oder getan hat, die wider Gesetz und Ordnung oder einfach wider deine eigenen Ansichten, wider deine Moral und wider deine Gefühle usw. verstossen. Verurteile stets nur das, was vom Mitmenschen - oder von dir selbst - getan wird, denn stets ist nur das gegen das Gesetz und gegen die Ordnung Verstossende verurteilungswürdig, so also das gegen Gesetz und Ordnung verstossende Handeln des Menschen, jedoch niemals er selbst als Mensch.